Schwere Vorwürfe von Justiz : Minister Stamp verteidigt Abschiebung vom Sami A.
Düsseldorf (dpa) - In der Affäre um den zu Unrecht nach Tunesien abgeschobenen Islamisten Sami A. hat NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) das Vorgehen der Behörden verteidigt. „Wir haben einen enormen Zeitdruck gehabt, weil wir Sami A. als tickende Zeitbombe sehen“, sagte Stamp in Düsseldorf.
Er sei anders als das Oberverwaltungsgericht nicht der Auffassung, dass die Abschiebung rechtswidrig war.
Nordrhein-Westfalens ranghöchste Richterin Ricarda Brandts machte der Politik hingegen schwere Vorwürfe. Die Behörden hätten der Justiz Informationen vorenthalten. So hätten die Richter die Abschiebung nicht rechtzeitig stoppen können. Erste Oppositionspolitiker forderten Stamps Rücktritt.
Stamp wies die Kritik zurück. Alle Stellen, „die rechtlich zwingend informiert werden mussten“, seien informiert worden. „Wir haben ein kurzes Zeitfenster gehabt, um die Abschiebung nach geltendem Recht durchzuführen“, sagte Stamp. Wäre dieses Zeitfenster nicht genutzt worden und hätte Sami A. dann in Deutschland Straftaten begangen, wäre er heute nicht mehr im Amt, sagte Stamp. „Wir haben Sami A. als ernsthafte Gefahr gesehen.“ Einen Rücktritt schloss der Minister aus. Mit einer Ausnahme: Sollte Sami A. in Tunesien gefoltert werden, „würde ich nicht eine Minute länger in meinem Amt bleiben.“
Der von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. war am 13. Juli nach Tunesien abgeschoben worden. Dabei hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine Abschiebung am 12. Juli noch untersagt. Die Richter hatten Sorge, dass Sami A. in Tunesien gefoltert werden könnte. Der Beschluss wurde den zuständigen Behörden aber erst zugestellt, als Sami A. am Morgen danach bereits im Flugzeug nach Tunesien saß.
Die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts (OVG), Ricarda Brandts, übte im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur massive Kritik am Vorgehen der Behörden. „Hier wurden offensichtlich die Grenzen des Rechtsstaates ausgetestet“, sagte sie. Die Behörden hätten den Richtern Informationen vorenthalten, um zu verhindern, dass die Justiz rechtzeitig ein Abschiebeverbot verhängen konnte. „Der Fall des Sami A. wirft Fragen zu Demokratie und Rechtsstaat - insbesondere zu Gewaltenteilung und effektivem Rechtsschutz - auf.“