Hochschulforschung Militärische Forschung soll an Hochschulen in NRW wieder erlaubt sein

Die Zivilklausel steht vor dem Aus. NRW-Ministerin Pfeiffer-Poensgen will den Hochschulen in NRW militärische Forschung wieder erlauben. Das bringt ihr viel Kritik ein.

Hochschulforschung: Militärische Forschung soll an Hochschulen in NRW wieder erlaubt sein
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Düsseldorf. Dass die Nachricht eingeschlagen hat wie eine Bombe, wäre in diesem Zusammenhang wohl ein billiges Wortspiel. Dennoch trifft es die Reaktion von Friedensaktivisten an den Hochschulen Nordrhein-Westfalens und außerhalb der Universitäten auf die Pläne von NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeifer-Poensgen (parteilos), die im von Rot-Grün verabschiedeten Hochschulzukunftsgesetz (HZG) verankerte Zivilklausel ins Wanken zu bringen. Gab es unter der vormaligen Landesregierung die politische Leitlinie, dass die Hochschulen des Landes ausdrücklich nicht zu militärischen Zwecken forschen und ihr wissenschaftliches Erkenntnisinteresse ausschließlich friedlichen Zielen widmen durften, will die Ministerin den Hochschulen hier nach eigenem Bekunden mehr Autonomie zugestehen.

Mit Raum für Interpretation hatte die Ministerin sich in einem Interview zur Zivilklausel geäußert: Gute Forschung lasse sich nicht staatlich verordnen, befand Pfeiffer-Poensgen. „Die Hochschulen bestehen nicht aus Militaristen, die nichts Besseres zu tun haben, als Rüstungsforschung zu betreiben. Keine Hochschule ist gezwungen, solche Klauseln aus ihrer Grundordnung wieder zu entfernen, wenn die Zivilklausel im Hochschulgesetz gestrichen wird.“ Schließlich wüssten die Hochschulen selbst am besten, wie sie forschen und arbeiten.

Doch hätten die Universitäten mit der Novellierung des Gesetzes grundsätzlich wieder die Möglichkeit, militärisch zu forschen, was Kritikern ein Dorn im Auge ist. Zu ihnen gehört etwa Gerhard Diefenbach vom Verein Aachener Friedenspreis. In einem Offenen Brief hatte die Bürgerinitiative Pfeiffer-Poensgen kürzlich vorgeworfen, sich mit der Entscheidung ihrer verfassungsrechtlichen Verantwortung für das Streben nach „innerem und äußeren Frieden“ zu entziehen. „Wir sind entsetzt darüber und wenden uns nachdrücklich gegen die Entscheidung, in der heutigen so bedrohlichen Weltlage und in einer waffenstarrenden Welt, in der sich Staaten mit der gegenseitigen völligen Vernichtung drohen und in der bereits heute in den Waffenarsenalen Atomwaffen lagern, die die gesamte Menschheit vernichten können, Forschung an neuen Waffensystemen und Rüstungsgeräten per eigener Entscheidung wieder zu ermöglichen“, schreibt der Verein.

Eine Reaktion aus dem Ministerium gebe es noch nicht, sagt Diefenbach und ist überzeugt: „Das Land hat eine Aufsichtspflicht und hat dafür zu sorgen, dass die in der Verfassung formulierten Maßgaben erfüllt werden. Es kann den Hochschulen nicht den Schwarzen Peter zuschieben.“

So verfügen die Universitäten stets über eine eigene Grundordnung, in der die hochschulpolitischen Leitlinien festgeschrieben sind. Trotz der Zivilklausel hatten sie auch unter Rot-Grün einen gewissen Handlungsspielraum, etwa im Hinblick auf Projekte der so genannten Kategorie „dual use“. Hierbei handelt es sich um Forschungsvorhaben, die nicht eindeutig zu klassifizieren sind und deren Ergebnisse sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. Pfeiffer-Poensgen plant indes, auf eine politische Vorgabe in puncto Zivilklausel vollständig zu verzichten.

Kritisch sieht dies auch Peter Förster von der Initiative „Hochschule für den Frieden“. Das Argument der Ministerin, mit der Abschaffung der Zivilklausel die Autonomie der Hochschulen stärken zu wollen, hält er für eine Farce, denn „die Drittmittel spielen für die Finanzierung der Hochschulen sicherlich eine tragende Rolle. Von daher könnte es für Hochschulen durchaus ein attraktives Angebot sein, wenn beispielsweise ein Rüstungskonzern mit einer kräftigen Finanzspritze lockt.“ Somit stärke der Fall der Zivilklausel keineswegs die Selbstbestimmtheit der Hochschulen, sondern im Gegenteil deren Abhängigkeit von potenten Drittmittelgebern.

Ein Paradebeispiel für militärische Forschung lieferte erst kürzlich die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, die eine Machbarkeitsstudie für eine Panzerfabrik in der Türkei erstellt hatte. Ging es laut Hochschule in dem Auftrag zunächst nur um „Spezialfahrzeuge“, habe man erst später erfahren, dass auch von Panzern die Rede ist. Die RWTH Aachen bezeichnete im Nachgang die Studie als Fehler und nahm als Konsequenz von dem Projekt Abstand. Auch mit der neuen Regelung ändert sich an der Forschungskultur der Hochschule nichts, betont Sprecherin Renate Kinny auf Anfrage. „Die RWTH Aachen bekennt sich auch weiterhin klar zu ihrer friedlichen Ausrichtung.“ Militärische Forschung lehne die Hochschule auch in Zukunft aus ethischen Gründen ab.

Die Landesrektorenkonferenz (LRK) begrüßt grundsätzlich die Novellierung des Hochschulgesetzes als Maßnahme für den Bürokratieabbau, teilt sie schriftlich mit — konkrete Nachfragen zur Zivilklausel wolle man zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht beantworten. Wie die Hochschulen im einzelnen ihre mögliche Forschungsfreiheit nutzen, bleibt also abzuwarten.

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