Merz will den Brexit für NRW versilbern

Der CDU-Politiker von einst ist Beauftragter der Landesregierung und will britische Unternehmen anlocken — wenn es den Brexit geben sollte. Überzeugt davon ist er nicht.

 NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (l.) und Friedrich Merz am Freitag im Düsseldorfer Landtag.

NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (l.) und Friedrich Merz am Freitag im Düsseldorfer Landtag.

Foto: dpa

Düsseldorf. Friedrich Merz kommt zu seinem ersten öffentlichen Auftritt im NRW-Landtag mit festem Schritt, Europa-Minister Stephan Holthoff-Pförtner geht hinterher, da stehen sie nun im Raum Rheinland im Landtag vor zahlreichen Fernsehkameras und verkünden — vor allem die Sicht des CDU-Politikers Friedrich Merz als Berater der Landesregierung in Fragen des anstehenden Brexits: Merz hat gute Nachrichten mitgebracht — wenn man ihn denn als Weisen für Wirtschaft betrachten mag: Nordrhein-Westfalen, sagt der gebürtige Sauerländer, könnte aus seiner Sicht überproportional von einem Austritt Großbritanniens aus der EU profitieren.

Dazu müsse die Landesregierung alles tun, um Unternehmen, die Großbritannien verlassen werden, weil sie nach einem anstehenden Brexit vom Zugang zum Europäischen Binnenmarkt ausgeschlossen und nicht mehr Teil der Zollunion wären, beste Rahmenbedingungen zu bieten.

Merz also will als Vermittler britische Unternehmen nach NRW holen und den Kontakt zu NRW-Unternehmen in Großbritannien halten. Zudem ist er jetzt Beauftragter für die transatlantischen Beziehungen. Für all das hat ihn Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zum Anfang des Jahres geholt. Der 62-Jährige soll auch für den Standort NRW werben. Spötter schimpfen, Merz werbe in erster Linie für sich selbst. Seit März 2016 ist Merz vor allem und neben vielen anderen Posten Aufsichtsratschef für den deutschen Ableger des weltweit größten Vermögensverwalters BlackRock.

Auch als solcher hat Merz eine Vorstellung vom Wert NRWs. „Deutschland muss ein interessanter Standort sein, und da muss Nordrhein-Westfalen — insbesondere für die Industrie-Unternehmen — der beste Standort sein“, sagte das ehemalige Alphatier der CDU. NRW sei der am dichtesten besiedelte und größte zusammenhängende Ballungsraum der EU. Und darüber hinaus auch hoch interessant für Unternehmen aus Japan und China, die in NRW bereits viele Niederlassungen hätten. „Ich bekomme Anfragen“, sagte Merz am Freitag und unterstrich damit seinen Ruf, als Lobbyist in der Wirtschaft eine durchaus größere Nummer zu sein. Zeit ist Geld. Mehr als drei Nachfragen sind nach seinem kurzen Statement nicht drin. Zuvor war Merz vom Minister im Europa-Ausschuss des Landtags als Brexit-Beauftragter eingeführt worden.

Zuletzt hatte er auf sich aufmerksam gemacht, als er Bundeskanzlerin Angela Merkel ob der Ressortverteilung in der neuen Bundesregierung via „Bild“ scharf kritisierte. Es drohe die Selbstaufgabe der Partei, hatte Merz geschimpft, wenn die CDU diese Demütigung hinnehme. Und dann hat die Partei „diese Demütigung“ tatsächlich hingenommen, und Merz galt wieder nur als leidlich mahnender Merkel-Erzfeind aus dem konservativen Lager, der 2002 von ihr als Fraktionsvorsitzender abgesägt worden war und immerfort auf die kleine Rache sinnt. Die parteiinterne Revolution muss schon wieder warten. Also andere Aufgaben.

Um die Dimension des Brexits zu verdeutlichen, macht Merz eine Rechnung auf: „Gemessen an der Wirtschaftskraft ist der Brexit gleichbedeutend mit dem gleichzeitigen Austritt von 19 der 28 EU-Länder.“ Und dann stellt er die beste aller Möglichkeiten vor: Seine Hoffnung sei noch immer groß, dass es zu diesem Brexit — also zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union — gar nicht kommen werde. „Der beste Brexit wäre der, der gar nicht stattfindet.“ Umfragen zeigten inzwischen eine stabile Mehrheit der Bevölkerung gegen den Brexit, sagt Merz. Mehr als ein frommer Wunsch? „Ich halte das für möglich, aber eher am Ende des Verhandlungsprozesses“, sagt er. Bis dahin will er über Städtepartnerschaften und Freizügigkeit für Studenten sprechen und für eine Atmosphäre der Annäherung werben, die Engagement wahrscheinlicher macht.

Die Opposition zeigte sich wenig beeindruckt. SPD und Grüne vermissen einen konkreten Plan der Landesregierung. „Dass, was im Europa- oder im Wirtschaftsministerium eigentlich stattfinden müsste, nämlich Gesprächsfäden knüpfen, juristische Hilfestellungen geben und politische Unterstützung organisieren, wird auf einen Ein-Mann Betrieb ausgelagert“, sagte der europapolitische Sprecher der Grünen, Johannes Remmel. „Das ist Symbolpolitik, um eigene Lücken zu verdecken.“

Ähnlich äußerte sich SPD-Europa-Experte Rüdiger Weiß über „das Phantom der Staatskanzlei“. Laut SPD-Politikerin Christina Kampmann ist auch nach dem Auftritt von Friedrich Merz immer noch die Frage: Was macht eigentlich der Brexit-Beauftragte?

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