Kraft setzt auf die „Kümmerer“-SPD

Landesvorsitzende stimmt Partei auf den Landtagswahlkampf ein.

Dortmund. Hannelore Kraft brauchte rund 30 Minuten, bis sie die rund 450 Delegierten in ihren Bann gezogen hatte. Da attackierte sie in ihrer Parteitagsrede FDP-Chef Guido Westerwelle wegen dessen Aussagen zu Hartz-IV-Empfängern: "Mindestens genauso wie Missbrauch dort müssen Steuersünder verfolgt werden." Das kam bei den Genossen bestens an. Ab diesem Zeitpunkt wurde aus einer durchschnittliche Rede eine durchaus emotionale Bewerbung um das Amt des Ministerpräsidenten.

Kraft entwarf das Bild einer SPD, die als "Kümmerer-Partei" einen Gegenentwurf zu dem Gesellschaftsmodell von CDU und FDP bildet. "Wir stehen für eine Gesellschaft der solidarischen Vernunft. Das unterscheidet uns von den anderen." Zwei Themen werde die SPD in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellen: Bildung und die Lage der Kommunen. "Wir dürfen kein Kind mehr verlieren", so Kraft. Der Druck im Schulsystem sei derzeit viel zu hoch, Nachhilfe schon in der Grundschule trauriger Alltag.

Dem setzt die SPD das Modell der Gemeinschaftsschule mit längerem gemeinsamen Lernen entgegen. Für die finanziell Not leidenden Kommunen erneuerte Kraft ihre Forderung nach einem Rettungsfonds ähnlich denen für das Finanzwesen: "Wenn Banken systemrelevant sind, sind es Städte und Gemeinden erst recht." Die schwarz-gelbe Landesregierung habe seit 2005 den Kommunen 3,5 Milliarden Euro genommen.

Auffällig: Kraft nannte ihren Kontrahenten, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), nicht ein Mal beim Namen, griff "den Ministerpräsidenten" nur einmal frontal an - in der Sponsoring-Affäre. "Die NRW-CDU hat das Amt zur Ware gemacht." In Anspielung auf Rüttgers’ häufigen Bezug auf den langjährigen SPD-Ministerpräsidenten Johannes Rau sagte Kraft: "Größer könnte der Unterschied nicht sein." Übrigens: Auch die SPD hat rund um den Parteitag Ausstellungsflächen an Sponsoren vermietet. Es gab 46 Aussteller - davon die eine Hälfte gemeinnützige Organisationen wie die Awo, die andere Unternehmen wie RAG und Eon.

Die Linken und auch die Grünen erwähnte Kraft gar nicht, auch zu möglichen Koalitionen hielt sie sich bedeckt. Dafür forderte sie erneut eine Änderung beim Aufbau Ost: "Es muss eine Generalrevision her." Der Anteil der Kommunen an der Unterstützung für die Ost-Städte müsse von derzeit 42 Prozent auf 21 Prozent halbiert werden. Auch bei Hartz IV verlangte sie umfangreiche Änderungen. Immer wieder flocht sie dabei Erlebnisse aus ihrer "Tatkraft"-Tour ein, bei der sie seit Wochen Tagespraktika bei Sozialeinrichtungen und Unternehmen absolviert. "Eines wird mir immer wieder gesagt: Arbeit hat was mit Würde zu tun." Im Falle eines Wahlsieges werde die SPD den sozialen Arbeitsmarkt massiv ausbauen.

Zum Schluss gab es stehende Ovationen für Hannelore Kraft. Sie eilte von der Bühne, um einen Spitzengenossen im Ruhestand zu begrüßen: Franz Müntefering - ohne roten Schal.

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