Köhler appelliert an das Wir-Gefühl

Bei der offiziellen Feier in Berlin ist die Wirtschaftskrise allgegenwärtig.

Berlin. Es ist wenig los. Vor der Treppe zum Konzerthaus sind kaum Menschen zu sehen. Den Fahnenschwenkern aus Bayern, die Flaggen aller Bundesländer durch die Luft wirbeln, bleibt ein spärliches Publikum. Eigentlich müsste es hier, am Berliner Gendarmenmarkt, von Touristen und Passanten wimmeln. Aber der Staatsakt zum 60. Jahrestag lässt die Bürger kalt. Vielleicht liegt es am Wetter; Regen und Sonnenschein wechseln sich ab. Jedenfalls ist es eine geschlossene Gesellschaft, die drinnen den Staatsakt begeht: Eingeladen wurden 1400 Gäste, meist Amts- und Würdenträger aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, das diplomatische Corps, dazu eine 160-köpfige Bürgerdelegation. Das eigentliche Bürgerfest feiert die Hauptstadt erst am Samstag.

Nach einem Musikstück wird im Konzerthaus ein bombastischer Videoclip vorgeführt: 60 Jahre im Zeitraffer, akustisch untermalt, DDR und BRD im Gegenschnitt. Wird die Musik düster, ist meist die DDR angesagt. Um 12.40 Uhr erhebt sich Horst Köhler von seinem Sitz in der ersten Reihe. Es ist sein letzter Großauftritt vor der Präsidentenwahl am Samstag. Alle sind da, das Kabinett, viele Abgeordnete, Länderchefs, alle lebenden Vorgänger Köhlers und natürlich seine Gegenkandidaten Gesine Schwan und Peter Sodann, die nebeneinander platziert wurden.

25 Minuten lang redet Köhler. Es ist ein einziger Appell ans Wir-Gefühl. Bis zum ersten Beifall vergeht fast eine Viertelstunde. Es ist eine satte Zuhörerschaft - auch rhetorisch verwöhnt -, die seinen Auftritt mit Applaus quittiert. Für Kanzlerin Angela Merkel und viele Minister ist der Staatsakt ein Intermezzo; anschließend wollen sie über Opel beraten.

Die Krise ist allgegenwärtig. Natürlich ist der Präsident stolz auf das Erreichte und nennt das Grundgesetz ein "Leuchtfeuer der Freiheit". Aber Köhler weiß, "unser Land feiert Geburtstag in einer schwierigen Zeit." Es ist die Stunde, sich auf’s Bewährte zu besinnen: den Sozialstaat, Dialog, Interessenausgleich. "Das öffnet Wege aus der Krise", glaubt Horst Köhler. Später werde man über die heutige Zeit sagen, "wir haben viel gelernt in dieser Zeit".

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