Justiz: Gezerre um Verfassungsrichter

Die NRW-CDU kann ihren ersten Vorschlag auf eine Neubesetzung nicht durchbringen. Doch auch gegen den Ersatzmann gibt es massive Bedenken.

Düsseldorf. Das Gezerre um die Besetzung des NRW-Verfassungsgerichts in Münster kurz vor womöglich wegweisenden Urteilen zur NRW-Kommunalwahl geht weiter.

Die CDU-Landtagsfraktion ist am Freitag mit ihrem Vorstoß gescheitert, den Kölner Staatsrechtler Otto Depenheuer zum neuen stellvertretenden Verfassungsrichter zu machen. Die SPD verweigerte ihre Zustimmung. Sie sieht in Depenheuer einen verfassungsrechtlichen Grenzgänger, weil er ein Gefangenenlager wie Guantánamo in Deutschland für denkbar hält.

Damit hat der Personalvorschlag nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Doch auch der Ersatzmann der Union weckt Zweifel bei der SPD.

Otto Depenheuer beruft sich auf den höchst umstrittenen Staatsrechtler Carl Schmitt (1888-1985), der als Vertreter eines autoritären Staatsgedankens gilt und von Historikern als "geistiger Quartiermacher des Nationalsozialismus" bezeichnet wird. Depenheuer hat vor zwei Jahren mit seinem Buch "Selbstbehauptung des Rechtsstaats" Schlagzeilen gemacht. Dort sieht er in dem Kampf des Westens gegen den islamistischen Terrorismus einen "weltweiten Bürgerkrieg", in dem der Staat bis an die Grenzen der Verfassung gehen müsse.

Seine Idee einer präventiven Sicherungsverwahrung geht für viele Juristen über diese Grenze hinaus. "Dieser Mann hat den Verfassungsbogen eindeutig überspannt", sagte SPD-Rechtsexperte Karsten Rudolph.

Depenheuer wurde nun vor der entscheidenden Landtagssitzung in der kommenden Woche aus dem Verkehr gezogen. Nun soll es auf Vorschlag der CDU der Bonner Jurist Christian Hillgruber sein.

Der hatte freilich im Jahr 2002 in einem Interview mit der Zeitschrift "Junge Freiheit" die Zuwanderungspolitik der damaligen rot-grünen Bundesregierung als "verfassungsrechtlich bedenklich" bezeichnet. Die "Junge Freiheit" tauchte lange Jahre im Bericht des NRW-Verfassungsschutzes als rechtsextreme Publikation auf, bevor dies im Jahr 2005 mit Hinweis auf die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit verboten wurde.

Die CDU steht aber zu ihrem Mann: "Gegen Hillgruber kann man nichts sagen. Er ist weithin anerkannt", sagte Peter Biesenbach, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, unserer Zeitung. Hillgruber selbst erklärte das Interview mit eigener Naivität. "Ich habe damals zunächst nichts über die Junge Freihet gewusst. Später habe ich jeden Kontakt zu dieser Zeitung unterbunden", sagte er gestern Abend unserer Zeitung.

Erst vor einigen Tagen hatte sich ein NRW-Verfassungsrichter für befangen erklärt: Jürgen Brand möchte nicht in den Verfahren gegen das NRW-Kommunalwahlrecht entscheiden. Brand ist SPD-Chef in Hagen, CDU-Vertreter hatten seine Abberufung verlangt. Die Sozialdemokraten haben die Klagen in Münster zusammen mit den Grünen eingereicht.

Auch Brands Ersatzmann, Arbeitsrichter Thomas Griese, sieht sich befangen, weil er als Spitzenkandidat der Grünen im Raum Aachen antritt. Brands Platz in den beiden Verfahren wird nun der Bielefelder Professor Christoph Gusy einnehmen.

Die SPD wiederum fordert den Rückzug von Verfassungsrichterin Barbara Dauner-Lieb. Sie ist als Mitglied eines Kreisparteigerichts der CDU aktiv und gehört einem juristischen CDU-Arbeitskreis an.

Die Entwicklungen sorgen auch in Münster für Reaktionen: Verfassungsrichter sollten sich parteipolitischer Engagements möglichst enthalten, sagte Michael Bertrams, Präsident des Gerichts. Damit nahm er seine sechs Senatskollegen in die Pflicht. Auf Bundes- wie auch auf Landesebene sei es guter Brauch, sich solcher Aktivitäten zu enthalten und Partei-Ämter niederzulegen.

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