#brusselattacks Jäger: Keine konkreten Anschlagshinweise in NRW - Kritik an Belgien

NRW ist nach den Terroranschlägen in Alarmbereitschaft. Die Sorge vor Anschlägen umfasst auch die belgischen Atommeiler nah der Grenze. Das Mitgefühl aus NRW ist groß. Dennoch kann sich Innenminister Jäger Kritik an den Geheimdiensten nicht ganz verkneifen.

NRW-Innenminister Ralf Jäger: Der Salafismus im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sei seit vielen Jahren gewachsen "und man hätte möglicherweise eher eingreifen müssen". (Archivfoto)

NRW-Innenminister Ralf Jäger: Der Salafismus im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sei seit vielen Jahren gewachsen "und man hätte möglicherweise eher eingreifen müssen". (Archivfoto)

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Düsseldorf (dpa). Die Sicherheitsbehörden haben nach den Terroranschlägen in Brüssel keine Anhaltspunkte für konkrete Gefahren in Nordrhein-Westfalen. „Die Polizei hat keine Hinweise in Bezug auf Deutschland“, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Dienstag in Düsseldorf. Dennoch hätten Bund und Länder verabredet, offene und verdeckte Sicherheits- und Schutzmaßnahmen hochzufahren sowie Grenzkontrollen zu verstärken.

„Wir haben die Maßnahmen intensiviert“, bestätigte auch eine Sprecherin des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam. Hinzu kämen schärfere Kontrollen an Flughäfen und Bahnhöfen. Auch die Schutzausrüstung der Bundespolizisten sei verstärkt worden.

Bei Explosionen starben in der belgischen Hauptstadt am Dienstag mehr als 30 Menschen am Flughafen und in der U-Bahn; mehr als 180 wurden verletzt. Über mögliche Anschlagsopfer aus NRW wurde zunächst nichts bekannt. Bis zum Nachmittag gab es laut Jäger auch noch keine Bekenner.

Der Minister kritisierte nach die belgischen Sicherheitsbehörden. Der Salafismus im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sei seit vielen Jahren gewachsen „und man hätte möglicherweise eher eingreifen müssen“, stellte er fest.

„Es geht nicht um einzelne, sich selbst organisierende Täter, sondern es wurde strukturiert und abgesprochen vorgegangen. Das setzt Zellenbildung voraus“, sagte der Minister. „Es ist leichter, solche Zellen zu entdecken als radikalisierte Einzeltäter. Und das ist das Erschreckende, dass eine solche Zelle dort nicht entdeckt werden konnte.“ Er betonte aber auch, dass die belgischen Behörden ihre Terrorabwehr in den vergangenen Monaten deutlich verstärkt hätten und erheblichen Kontrolldruck auf die Szene ausübten.

Beunruhigende Nachrichten kommen aus dem Grenzgebiet: Im belgischen Atomkraftwerk Tihange, nur etwa 70 Kilometer von Aachen entfernt, wurde verzichtbares Personal aus Sicherheitsgründen nach Hause geschickt. Zuvor waren die belgischen Atomkraftwerke bereits unter verschärften Schutz gestellt worden. Jäger sagte, Konkretes dazu wisse er nicht. Gegen die seit Jahren als Sicherheitsrisiko geltenden Atommeiler läuft bereits eine Länderklage.

Aus Sicherheitsgründen wurde der Bahnverkehr zwischen NRW und Belgien eingestellt. Züge von Frankfurt über Köln nach Belgien endeten nach Angaben eines Bahnsprechers in Aachen. Am Abend sollte mitgeteilt werden, ob die Bahnen am Mittwoch wieder fahren. Der Hochgeschwindigkeitszug Thalys fuhr ebenfalls nicht nach oder über Belgien. Auf seiner französischen Twitter-Seite empfiehlt das Unternehmen, alle Reisen zu verschieben. Auch auf die Flughäfen wirkten sich die verheerenden Explosionen aus: Mehrere Flüge wurden nach Düsseldorf und Köln/Bonn umgeleitet.

Spitzenvertreter der Landesregierung und der Parteien äußerten sich bestürzt und sprachen den Angehörigen der Opfer ihre Anteilnahme aus. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft rief zum Zusammenhalt auf: „Bei aller Trauer und allen Tränen müssen wir zusammenstehen: Die Demokratie ist stärker als Terror“, sagte die SPD-Politikerin. „Es ist grauenhaft, dass nach den Anschlägen von Paris wieder unschuldige Menschen Opfer fanatischer Terroristen werden, die unseren westlichen Werten und unserer europäischen Lebensweise den Krieg erklärt haben.“

NRW-Europaminister Franz-Josef Lersch-Mense berichtete, alle Mitarbeiter der NRW-Landesvertretung in Brüssel seien wohlauf und blieben im Dienst.

CDU-Landeschef Armin Laschet forderte eine gesamteuropäisches Sicherheitskonzept mit einem Terrorabwehrzentrum, automatischem Datenaustausch zwischen allen Sicherheitsbehörden und - langfristig - einem gemeinsamen Geheim- und Nachrichtendienst. FDP-Chef Christian Lindner unterstrich: „Die unmenschlichen Anschläge in Brüssel galten nicht der belgischen Bevölkerung, sondern uns allen.“ Daher dürfe die demokratische Gesellschaft bei ihrem Einsatz für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit nicht nachlassen.

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