Islamistischer Terror Islamisten hinter Gittern: Zwei gegen die Ansteckungsgefahr

Al-Kaida, Islamischer Staat und Syrien-Rückkehrer: In den Gefängnissen sitzen bundesweit immer mehr islamistische Terroristen verschiedenster Couleur. Braut sich hinter Gittern etwas zusammen? Zwei Islamwissenschaftler sollen das verhindern.

Symbolbild

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Foto: Uwe Schinkel

Remscheid. Das Gefängnis von Remscheid liegt auf einer Anhöhe und ist ein düsterer 110 Jahre alter preußischer Bau. Dunkel und umkreist von Vögeln reckt sich der Turm der Anstalt in die Höhe. Einheimische nennen den Knast nur „die Burg“. Mustafa Doymus (37) und Luay Radhan (37) haben ein paar Tage gebraucht, um sich an ihre neue Arbeitsumgebung zu gewöhnen. Die beiden Islamwissenschaftler sollen aufpassen, dass der Islamismus sich in den 36 NRW-Gefängnissen nicht wie eine Epidemie ausbreitet.

Weil zwei Wissenschaftler mit rund 16 000 Gefangenen wohl heillos überfordert wären, setzen Doymus und Radhan auf das übrige Gefängnispersonal. „Wir haben schon hunderte Kollegen fortgebildet“, erzählen sie.

Was ist normales Verhalten eines gläubigen Moslems, was sind Indizien für den gefährlichen Salafismus? Wer ist gefährdet, radikalisiert zu werden, wer ist Anstifter? Ist die Begeisterung eines Gefangenen nach einem islamistischen Anschlag nur eine Provokation, oder ernst zu nehmen?

Weil der Justiz die zunehmende Zahl radikaler Islamisten hinter Gittern selbst nicht geheuer scheint, wurden die Stellen für die beiden Islamwissenschaftler in Remscheid geschaffen. Dort haben sie gleich mehrere Gefängnisse in unmittelbarer Nähe, etwa die große Jugendstrafanstalt in Wuppertal-Ronsdorf.

„Wir machen hier Pionierarbeit“, erzählen Doymus und Radhan und haben ein hehres Ziel: „100 Prozent Prävention“. Soll heißen: Niemand soll als Islamist aus dem Gefängnis kommen, der es nicht schon vorher war. Islamisten, die hinter Gittern missionieren, werden notfalls isoliert, sagt Katja Grafweg, Leiterin der JVA Remscheid.

Im besten Fall distanzieren sich die Gefangenen von der Ideologie: „Es sind inzwischen einige ins Wanken geraten.“ Aber: „Es gibt 10 bis 15 Leute, die kriegst du nicht, da sind wir nicht blauäugig“, sagt Radhan.

Der Bart, die auffällig Kleidung, jemand, der freiwillig Fernsehen und Musikanlage aus der Zelle verbannt, die IS-Flagge: Das können Symptome einer Radikalisierung sein, müssen es aber nicht. Wichtiger seien die Aussagen und die Kontakte der Gefangenen.

Eben hatten Doymus und Radhan ein 15-seitiges Konvolut zu bewerten, dass in einer Zelle gefunden worden war. Symbole, Flaggen, Texte der Gülen-Bewegung und des Islamischen Staats - ein Durcheinander ohne eindeutigen radikalen Kurs, aber: „Den Gefangenen sollten wir im Blick behalten.“

Sind sich die Vollzugsbeamten bei der Postkontrolle im Unklaren, gibt es nun Hilfe: Doymus spricht und versteht türkisch und kurdisch, Radhan arabisch. „Wir profitieren sehr davon, dass die beiden hier sind“, sagt Grafweg.

Was die Gefahr erhöht: Die unheilvolle Entwicklung zum Salafisten kann sich rasch vollziehen. „Viele Islamisten haben sich unheimlich schnell radikalisiert, sind aber eigentlich religiöse Analphabeten“, sagt Doymus. „Das ist so ein Fast-Food-Islamismus.“

Dabei seien nicht einmal alle Salafisten gefährlich: „Da gibt es die Missionierer und Puristen, die Politischen und die militanten Dschihadisten.“ Nur letztere seien das eigentliche Problem: „Das sind die, die uns in die Luft sprengen wollen.“

An die rund 3000 muslimischen Gefangenen in NRW heranzukommen, ist besonders schwer. „Wir haben evangelische und katholische Seelsorger, aber die Imame kommen in der Regel nur für das Freitagsgebet.“

Von den 114 Imamen im NRW-Vollzug sind zudem 97 von Ditib entsandt, dem erzkonservativen türkischen Dachverband. Viele von ihnen sprechen nur türkisch, sind für die Gefangenen keine Vertrauenspersonen. Eine muslimische Seelsorge in den Gefängnissen müsse erst noch geschaffen werden, berichten Doymus und Radhan.

34 Islamisten sitzen derzeit wegen terroristischer Umtriebe in den NRW-Gefängnissen in Straf- oder Untersuchungshaft, bundesweit sollen es rund 150 sein. Aber wer von den „normalen“ Strafgefangenen über ein islamistisches Weltbild verfügt, sei noch gar nicht klar. „Das versuchen wir gerade herauszufinden.“ Das Kompetenzzentrum „Islam und Justiz“ wird nach Angaben des NRW-Justizministeriums 2017 auf zehn Stellen aufgestockt.

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