WZ Exklusiv-Interview (3/3) Interview mit Petra Hinz: Ich habe niemandem von der Lebenslauf-Lüge erzählt

Die SPD-Politikerin spricht über ihre Lebenslüge und findet deutliche Worte für den Chef der Essener SPD. (Teil 3/3)

 Petra Hinz bei einer Rede im Bundestag im Februar 2013.

Petra Hinz bei einer Rede im Bundestag im Februar 2013.

Foto: Sven Hoppe

Warum haben Sie gelogen? Warum haben Sie nie korrigiert, dass es kein Abitur gibt, kein Staatsexamen?

Hinz: Ich kann das nicht mehr nachvollziehen. Die Lüge war da, aber gleichzeitig so weit weg. Erst war es ein Abitur, das ich in der Abendschule nachholen wollte, es aber wegen der vielen Aufgaben in der SPD schlicht zeitlich nicht geschafft habe. Dann kam irgendwann ein Studium hinzu, dass es nie gab. Es tut mir so unendlich leid. Ich habe auch nie beruflich unter einer falschen oder erfundenen Qualifikation firmiert oder versucht, die Lüge für mein Fortkommen aktiv einzusetzen. Das brauchte ich für mein politisches Engagement eigentlich auch gar nicht. Sie ist nicht am strategischen Reißbrett entstanden. Aber es gibt sie, und dafür möchte ich mich entschuldigen. Ich wollte auch nie durch diese Anmaßung den Anwaltsstand beleidigen. Das sind sehr gut ausgebildete Leute und sie sind ein wichtiger Teil unserer Demokratie. Nochmals: Es tut mir leid.

Glauben Sie, dass Sie in der Bevölkerung damit Gehör finden?

Hinz: Ich weiß es nicht. Aber was ich in den letzten zwei Wochen erleben musste, erschreckt mich sehr. Es gab sogar Morddrohungen, eine Collage einer Prostituierten. Ich verstehe Unverständnis und Zorn, das verstehe ich nicht. Auch das Bild der keifenden Furie, die ich im Büro gewesen sein soll, hat mich sehr getroffen. (Petra Hinz zieht ein Wahlkampf-T-Shirt aus der Tasche, das ihre Mitarbeiter mit Widmung entworfen haben) Tun so was gequälte Mitarbeiter?

Sie wollen doch nicht bestreiten, dass es Schwierigkeiten gegeben hat?

Hinz: Ich habe für meine Mitarbeiter alles getan. Sie wollen auf das anonyme Schreiben hinaus. Ja, ich habe meine Arbeit sehr ernst genommen. Ich habe immer gesagt: Wir haben einen tollen Job, aber wir haben 250 000 Arbeitgeber. Und die wollen nicht, dass wir auf Lobbyveranstaltungen etwa von Zigaretten-Herstellern gehen und ich muss mich darauf verlassen, dass meine Mitarbeiter das beherzigen. Und ich habe meine Mitarbeiter auch nie geduzt. Da war ich sicher ein Exot. Aber es ist auch schwierig für junge Menschen, an 20 Wochen im Jahr bin ich da, den Rest der Zeit sind sie ihr eigener Chef. Ich weiß, dass ich in dieser Frage anstrengend und überkorrekt war. Das hat sicherlich nicht jedem gefallen.

Am Montag hat Kutschaty noch einmal nachgelegt mit einer Mail an alle Mitglieder der SPD Essen und seine Ohnmacht Ihnen gegenüber zum Ausdruck gebracht. Haben Sie Angst, ausgeschlossen zu werden aus der Partei?

Hinz: Es ist derselbe Kutschaty, der mir nach dem anonymen Brief zu den Mitarbeitern gesagt hat, ich sei eine Bilderbuch-Abgeordnete. Diese SPD in Essen mit den derzeit federführenden Personen ist nicht mehr meine. Ich überlege ernsthaft, dem Parteiordnungsverfahren zuvor zu kommen. Die Wähler glauben schon lange nicht mehr, was wir beschließen. Sie sehen, wie wir in der Politik mit Menschen umgehen, das ist unser Problem.

Frau Hinz, wer hat von Ihrem geschönten Lebenslauf gewusst?

Hinz: Ich habe es niemandem erzählt. Wenn ich nun höre, wer es alles geahnt haben will, muss ich mich fragen: Warum wollten diese Menschen mich als Kandidatin?

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