Internetkriminalität: NRW fordert Datenspeicherung

Minister Jäger sieht den Bund in der Pflicht. 139 Fälle von Pornografie wurden nicht aufgeklärt.

Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) tritt für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung bei Kommunkationsverbindungen ein. „Wir benötigen das dringend. Das sehen alle Landesinnenminister genauso. Der Bund muss hier sehr schnell handeln“, sagte Jäger am Mittwoch vor Journalisten. Er griff Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) massiv an: „Diese pseudoliberale Haltung ist hart an der Grenze zur Strafvereitelung.“

Unterstützung für seine harschen Worte bekam Jäger am Mittwoch von den Internet-Fahndern des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts (LKA). „Wir benötigen dringend diese Daten für unsere tägliche Arbeit“, sagte Hauptkommissar Klaus Kisters, Leiter der Dienststelle Zentrale Internet Recherche (ZIK) im LKA. Seitdem die Anbieter von Telefon- und Internetdienstleistern, den sogenannten Providern, die Verbindungsdaten nicht mehr vorhalten müssen, seien die Ermittlungen sehr viel schwieriger. Im Jahr 2010 seien aus dem Grund 139 Fälle von Kinderpornografie nicht aufgeklärt worden.

Denn seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr ist die zuvor automatisierte Speicherung der Verbindungsdaten für eine Dauer von sechs Monaten untersagt. „Aber die Richter sind nicht grundsätzlich dagegen, fanden nur die alte Regelung verfassungswidrig. Es gibt neue Wege, man muss sich nur davon verabschieden, Datenschutz vor Opferschutz zu stellen“, sagte Jäger. Zwar haben auch jetzt einige Provider die Daten vorrätig, dies aber aufgrund anderer Bestimmungen und eher freiwillig.

Dabei wuchert die Internetkriminalität immer weiter. Die zehn Fahnder beim LKA deckten in den vergangenen drei Jahren 3000 Straftaten auf. Alleine im vergangenen Jahr waren darunter 717 Fälle von Kinderpornografie.

Ein typischer Fall, den Minister Jäger am Mittwoch anonymisiert schildert: In den sogenannten sozialen Netzwerken tauchte eine Person auf, die sich „Lucie“ nannte und vorgab, 15 Jahre alt zu sein. „Lucie“ heißt aber in Wirklichkeit „Horst“, ist 50 Jahre alt und pädophil. Unter seinem falschen Namen erschlich er sich im Internet das Vertrauen von Mädchen und überredete einige von ihnen, ihm Nacktbilder übers Netz zu schicken. Die er dann prompt verbreitete. Das Opfer ist traumatisiert, der Täter aber dank der beharrlichen Arbeit der Beamten gestellt. Demnächst steht seine Gerichtsverhandlung an.

Ein anderer Fall: Ein 34-jähriger Familienvater misshandelt über einen Zeitraum von fünf Jahren seine Tochter, dazu auch seine achtjährige Stieftochter. Szenen dieser brutalen Verbrechen stellt er ins Internet, wo ihm die Fahnder schließlich auf die Spur kommen.

„In diesen Fällen hatten wir das Glück, auf die Daten zugreifen zu können“, sagte Kommissar Kisters. Doch in anderen Fällen war das nicht möglich.

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