In Nordrhein-Westfalen gilt jeder siebte Einwohner als arm

Der Großraum Düsseldorf liegt unter dem Bundesschnitt. Besonders betroffen sind die Städte im Ruhrgebiet.

Berlin. Dass Armut viele Gesichter hat, galt bis zuletzt ebenso als Binsenweisheit wie das seit dem Mauerfall beklagte Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschland. In einem neuen an Regionen orientierten Armutsatlas teilt der Paritätische Gesamtverband die Republik nun in drei Armutszonen ein: eine süddeutsche, in der die Armutsquote in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg bei elf Prozent liege, eine nordwestdeutsche, wo in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und den Stadtstaaten Hamburg und Bremen 15 Prozent der Bevölkerung arm seien und eine ostdeutsche, wo der Wert im Schnitt bei 19,5 Prozent rangiere.

Geschäftsführer Ulrich Schneider sieht die Bundesrepublik daher vor einer "Zerreißprobe". Von gleichwertigen Lebensverhältnissen, wie sie im Grundgesetz angestrebt würden, könne keine Rede mehr sein, "wenn die ärmste Region eine viermal so hohe Armutsquote aufweist wie die reichste". Im Osten Deutschlands müsse man längst von Gebieten sprechen, die "abgehängt" seien und sich in einem "Teufelskreis der Verarmung" befänden. Schneider: "Wenn wir nicht sofort und massiv gegensteuern, wird die Verödung ganzer Landstriche nicht mehr aufzuhalten sein."

In der Untersuchung, die sich auf Daten des Statistischen Bundesamtes des Jahres 2007 stützt, markieren die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg in Baden-Württemberg mit einer Armutsquote von 7,4 Prozent und Vorpommern im Nordosten mit 27Prozent die Extreme. Nordrhein-Westfalen liegt mit einer Quote von 14,6 Prozent im Bundesdurchschnitt (14,3 Prozent), weist jedoch wie andere Bundesländer auch regional erhebliche Unterschiede auf.

Danach liegt der Großraum Düsseldorf mit 13,6 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. Anders das Ruhrgebiet: Für Dortmund wird eine Armutsquote von 18 Prozent verzeichnet, für Duisburg und Essen von 15,8 Prozent und für den Emscher-Lippe-Raum von 16,6 Prozent. Am besten kommen das Münsterland mit 11,8 Prozent und die Region Bonn mit zwölfProzent weg.

Bei der Armutsdefinition hat sich der Wohlfahrtsverband an der geltenden Regel der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) orientiert. Danach gilt als arm, wer nur 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Nach Haushaltstypen aufgeschlüsselt, heißt das für einen Single: 764 Euro, für Alleinerziehende mit einem Kind 994 Euro; mit zwei Kindern 1223 Euro. Ein Paar ohne Kind 1376 Euro, ein Paar mit einem Kind 1605 Euro und mit zwei Kindern 1835 Euro.

Der Regierung warf Schneider vor, die wachsende regionale Spreizung bei der Armutsentwicklung durch eine "falsche Politik" zu verschärfen. So gingen die zehn Milliarden Euro, die im Konjunkturpaket II für Investitionen in Bildung und Infrastruktur geplant seien, zu einem Drittel an jene Bundesländer, die mit Abstand die niedrigsten Armutsquoten aufwiesen: Bayern, Hessen, Baden-Württemberg.

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