Heimweh nach der alten SPD

Arbeitsgemeinschaft: An der Parteibasis hat sich eine neue Gruppe gebildet, die alte SPD-Werte hoch hält.

Dortmund. Es klingt beinahe wie ein Witz: In der SPD hat sich eine neue Arbeitsgemeinschaft gegründet - die "AG Sozialdemokraten in der SPD". Doch für die teilnehmenden Genossinnen und Genossen ist es kein Spaß, sondern bitterer Ernst. "Die SPD ist uns abhanden gekommen", sagt Peter Rath (61), der im Ruhrgebiet den Arbeitskreis für Nordrhein-Westfalen organisiert. Die SPD drohe zu einem "Klüngel von Funktionären und gewerbsmäßigen Parlamentariern zu geraten, der eine Politik gegen Arbeitnehmer und Rentner betreibt und drauf und dran ist, ein solidarisches Sozialsystem zu ruinieren".

Dagegen wollen sich die bundesweit bereits deutlich mehr als 500 AG-Mitglieder wehren, die sich als Basis der Partei sehen. Sie wollen "intellektuellen Widerstand" gegen die "Neoliberalisierung der Partei" organisieren und die "schweigende, frustrierte Mehrheit in der SPD" reaktivieren. Dabei verweisen die Initiatoren auf einige prominente Unterstützer aus dem altlinken SPD-Spektrum, darunter der Sozialpolitiker und frühere Israel-Botschafter Rudolf Dreßler, der frühere Bundesarbeitsminister Herbert Ehrenberg, der Parlamentarische Staatssekretär a.D. Uwe Reinhard und auch der frühere Planungschef im Kanzleramt, Albrecht Müller.

Neben dem Kampf gegen den neoliberalen Kurs der Parteioberen und die Hartz-Gesetze wollen Peter Rath und seine Mitstreiter auch die alten Diskussions-Tugenden an der Parteibasis wieder reaktivieren. "In vielen SPD-Ortsvereinen sind Zustände wie in der alten DDR", ätzt Rath. "Da beginnen die Sitzungen mit dem offiziellen Hereintragen des Parteivorstandes, dann folgt das Synchronisieren der Herzschrittmacher, und anschließend stimmen alle das Lied an ’Wir sind die junge Garde’." Diskussionen über die Zukunft und politische Ausrichtung der Partei seien da nicht möglich. So ist es nach Raths Ansicht auch in dessen Heimat-Ortsverein Bergkamen. Rath: "Auf dem Hauptfriedhof dort ist mehr los als in unserem Ortsverein. Und das Problem ist: Bergkamen ist überall in der SPD."

Wie’s anders geht - und natürlich besser -, will die Arbeitsgemeinschaft bei "NachDenkTreffs" zeigen. Wie an diesem Montagabend im Dortmunder Verdi-Haus. Rath hat dazu den emeritierten Soziologie-Professor Arno Klönne von der Uni Paderborn eingeladen.

Im Sitzungsraum A/B in der zweiten Etage des Verdi-Hauses, an dessen Wand ein großes Transparent die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns fordert, lauschen dann gut 40 Altlinke, Gewerkschafter, ein paar Jusos und einige AG-Mitglieder dem Vortrag über "Die Gewerkschaften in der Krise und die Krise der Gewerkschaften". Die Analyse des Wissenschaftlers, der als Experte der Geschichte der Arbeiterbewegung und der internationalen Politik gilt, trifft die Stimmung des Auditoriums: "Gewerkschaften werden nur dann eine Zukunft haben, wenn sie wieder identifizierbar werden als gesellschaftspolitische Opposition und selbstbewusste Verfechter eines sozialstaatlichen Gesellschaftsmodells."

Exakt so sehen viele der Anwesenden nicht nur den Zustand der Gewerkschaften, sondern auch den Zustand ihrer Partei, der alten, ursprünglichen SPD. Das ist auch der Grund, warum Manfred Schwirske (56) in die AG eingetreten ist: "Es gibt keinen anderen Ort in der SPD, an dem man derzeit sinnvoll an was Richtigem arbeiten kann." Ein Übertritt zur Linkspartei kommt für Schwirske ebenso wenig infrage wie für Peter Rath: "Wir wollen das Orginal erhalten und wiederbeleben, nicht bei einer schlechten Kopie mitmachen." Allerdings: So ganz weit ist man nicht von Oskar Lafontaine und den Seinen entfernt - als Koalitionspartner sei die Linkspartei "vielleicht etwas später" durchaus realistisch.

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