Hebammenmangel in NRW und kein Ende in Sicht

Schwangere haben nach wie vor Probleme, eine Geburtshelferin zu bekommen. Eine Studie zeigt regionale Unterschiede auf.

Hebammenmangel in NRW und kein Ende in Sicht
Foto: dpa

Düsseldorf. Carmen Kouramadis aus Düsseldorf ist in der 16. Schwangerschaftswoche und hat immer noch keine Hebamme gefunden. Dass die Suche nach einer Geburtshelferin schwierig ist, überrascht sie nicht: „Ich hatte in allen drei Schwangerschaften bisher große Probleme, eine Hebamme zu finden“, sagt sie. Nur noch jede zweite Frau im Rheinland wird nach einer aktuellen Erhebung der AOK in den Wochen nach der Geburt von einer Hebamme versorgt. Im Jahr 2016 waren es 53 Prozent, 2012 waren es noch 64 Prozent der bei der Krankenkasse versicherten Mütter. Gleichzeitig werden immer mehr Kinder geboren. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes stieg die Zahl der Geburten innerhalb von drei Jahren um gut 18 Prozent auf über 170.000 Geburten in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016.

Viele Dienste von Hebammen werden durch die Krankenkassen bezahlt — wenn eine zu finden ist. Nach Einschätzung der AOK waren in den Jahren 2014 bis 2016 etwa 2200 Hebammen ambulant im Rheinland tätig. Genaue Erhebungen zu der Gesamtzahl der Hebammen und dem eigentlichen Bedarf gebe es aber nicht. Das Land habe aber eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben. Klar sei, dass es zu wenig sind. Aus den Zahlen der AOK ergibt sich, dass im Durchschnitt etwa 40 geborene Kinder auf eine ambulant tätige Hebamme im Rheinland kommen — mit teils deutlichen regionalen Unterschieden.

In Mönchengladbach kommen in den Jahren 2014 bis 2016 knapp mehr als 70 Neugeborene auf eine Hebamme. Auch Düsseldorf und Krefeld liegen mit 48,3 und 47,1 Neugeborenen pro Hebamme über dem Durchschnitt. Wuppertal liegt mit dem Wert 39,2 knapp darunter. Der Bedarf ist riesig, erklärt Vera Brell, die als Hebamme für das Hebammennetzwerk Bergisch Land tätig ist. „Wir haben 15 000 Anrufe pro Jahr“, sagt sie. Im Jahr 2017 habe das Netzwerk in 540 Fällen erfolgreich vermittelt. Dagegen habe sie 138 werdenden Müttern nicht weiterhelfen können. Bei der Hebammenzentrale in Düsseldorf melden sich monatlich 400 Schwangere, etwa der Hälfte könne keine Geburtshelferin vermittelt werden, teilt eine Mitarbeiterin mit. Je nach Jahreszeit sei die Lage „eine Katastrophe“, erklärt Vera Brell vom Netzwerk in Wuppertal. Gerade im Juli gebe es viele Ablehnungen — unter anderem weil auch Hebammen Urlaub machen.

Viele Familien haben laut Brell Schwierigkeiten, eine Hebammen zu finden, weil sie zu spät mit der Suche anfangen. „Die wenigsten wissen, dass man sich mindestens vor der zehnten Woche melden muss, um eine Hebamme zu bekommen“, sagt sie. Insbesondere Familien in schwierigen Lebenslagen — die etwa Arbeitslosengeld II beziehen — würden von den unterschiedlichen Angeboten der Hebammen teilweise gar nicht oder nur „sehr begrenzt“ erreicht, erklärt Günter Wältermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. Die Analyse der Versicherung zeige auch, dass nur in jeder zweiten Geburtsklinik in NRW die nach medizinischen Leitlinien vorgesehenen Hebammen beschäftigt werden.

Nicola Bauer, Professorin für Hebammenwissenschaften an der Hochschule für Gesundheit, fordert mehr Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen. Außerdem müsse schon in der Schule mehr über das Thema einer möglichen Familiengründung gesprochen werden. Gleichzeitig müssten Hebammen sichtbarer im Stadtbild werden und die Zusammenarbeit mit Gynäkologen müsse gestärkt werden.

Carmen Kouramadis aus Düsseldorf gibt die Hoffnung noch nicht auf, dass die Hebammenzentrale ihr eine Helferin vermitteln kann. Zur Not hat sie aber auch einen Plan B: „Wenn es nicht klappt, werde ich versuchen, mit dem Krankenhaus abzusprechen, dass ich dort auch die Geburtsnachsorge machen kann“, sagt sie.

Grafik: klxm.de

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