Hartmann ist neuer Chef der SPD in NRW
Eine Zitterpartie ist entschieden: Die mächtige NRW-SPD hat einen neuen Parteichef. Der ist jung und ein unbeschriebenes Blatt. Genau das wollen die Genossen nach ihren Krisen. Der Neue hat eine Mission.
Bochum. Als gäbe es die Vergangenheit nicht mehr. „Für die SPD liegt der beste Tag immer in der Zukunft!“, ruft Sebastian Hartmann. Mit Standing Ovations bejubeln die Genossen der nordrhein-westfälischen SPD in Bochum ihren frisch gekürten neuen Vorsitzenden. Noch vor wenigen Wochen kannte kaum jemand den Namen des Bundestagspolitikers aus Bornheim bei Bonn. Nun ist der 40-Jährige neuer Chef der von der Wahlniederlage 2017 immer noch geschwächten NRW-SPD.
Die ehemalige Landesvorsitzende und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist gar nicht erst zum Parteitag erschienen. Der von der Bundes-SPD nicht eben pfleglich behandelte Ein-Jahr-Parteichef Martin Schulz humpelt mit einem dicken Fuß in Manschette durch den Saal - Folge einer Fuß-Operation. Auch Schulz spielt nur noch eine Nebenrolle. Schon das Parteitagsmotto „Auf nach vorne“ unterstreicht, dass kein Blick zurück geworfen werden soll.
Die NRW-SPD stellt demonstrativ auf Neustart und Verjüngung um. Eine wochenlange Zitterpartie, ob der Nobody Hartmann ein ordentliches Wahlergebnis bekommt, beenden die Genossen mit einem klaren Votum: 80,3 Prozent. Das kann man angesichts der Vorgeschichte ein wirklich gutes Ergebnis nennen. Denn eine Findungskommission hatte Hartmann quasi im Alleingang als einzigen Kandidaten aus dem Hut gezaubert. Das löste viel Kritik aus.
Hartmann selbst brauchte nach eigenen Angaben 48 Stunden Bedenkzeit, ob er den Job annehmen sollte. Hartmann, wie immer im dunkelgrauen Anzug, strahlend weißem Hemd und mit akkuratem Scheitel, hält vor den rund 460 Delegierten die vielleicht wichtigste Rede seines politischen Lebens. Er will, das macht er jetzt klar. Und er schafft es, die Genossen auf seine Seite zu ziehen. Dabei wirkt der regierungsbedrohende Asylstreit zwischen CDU und CSU in Berlin vielleicht auch disziplinierend. Die schärfste Kritik prasselt bei diesem Parteitag im Revier auf Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundesinnenminister Horst Seehofer (beide CSU) nieder.
Die SPD müsse endlich aufhören, zu klagen und gegen sich selber zu kämpfen, sagt Hartmann. „Niemand will eine traurige Truppe, die selbst nicht an ihren Erfolg glaubt.“ Die SPD wolle ein „sozialdemokratisches Jahrzehnt“, „linken Realismus“ und „Rot pur“, Das kommt an, immer wieder bekommt er Zwischenapplaus.