Großstädte in der Schuldenspirale

66 Prozent der Städte in NRW haben bei der Verschuldung zugelegt. Und mit dem Unterhaltsvorschuss drohen weitere Belastungen.

Großstädte in der Schuldenspirale
Foto: Gasometer Oberhausen/Thomas Machoczek

Düsseldorf. Die nordrhein-westfälischen Großstädte kommen aus der Schuldenspirale nicht heraus: 19 der 29 NRW-Großstädte haben im vergangenen Jahr zusätzliche Schulden gemacht. Die Gesamtverschuldung der Städte stieg um 1,3 Prozent auf 41,3 Milliarden Euro. Das geht aus einer am Dienstag vorgelegten Studie der Stuttgarter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hervor.

Von den 20 Großstädten mit der bundesweit höchsten Pro-Kopf-Verschuldung liegen 13 in NRW; unter den 20 Großstädten mit der niedrigsten Pro-Kopf-Verschuldung finden sich mit Düsseldorf, Paderborn und Hamm nur drei NRW-Städte. Bundesweiter Spitzenreiter ist Oberhausen mit 9792 Euro Schulden pro Einwohner (inklusive Schulden aus Extrahaushalten, öffentlichen Fonds sowie kommunalen Tochterfirmen und Einrichtungen). Auf Platz drei liegt Mülheim an der Ruhr (8527 Euro).

„Die Maßnahmen der Politik zur Bekämpfung der kommunalen Schuldenkrise greifen bei einigen der betroffenen Städte — aber längst nicht bei allen“, sagt Prof. Bernhard Lorentz von Ernst & Young. Die positive Konjunktur- und Einnahmenentwicklung der vergangenen Jahre gehe an den besonders stark verschuldeten Großstädten offenbar weitgehend vorbei.

Als „vollkommen unzureichende Hilfe“ kritisierte die CDU-Landtagsfraktion den Stärkungspakt dann auch in Reaktion auf die Studie. Und das Land verschärfe die prekäre Lage noch, indem es „auf Bundesebene Vereinbarungen zu Lasten der nordrhein-westfälischen Kommunen, wie beim Unterhaltsvorschuss, zustimmt“, sagte der kommunalpolitische Sprecher Ralf Nettelstroth. Eine Kritik, der sich auch die FDP anschließt.

Und der Leverkusener Stadtkämmerer Frank Stein (SPD). „Wenn das Gesetz auf Bundesebene zum 1. Januar 2017 eingeführt wird, bedeutet das für uns eine jährliche Netto-Neubelastung von fünf Millionen Euro.“ Denn anders als in anderen Bundesländern müssen in NRW die Kommunen 80 Prozent des Landesanteils an der Finanzierung übernehmen. Stein ist sicher: Dann muss Leverkusen die Grundsteuer weiter anheben. Anders seien die Vorgaben des Stärkungspakts nicht einzuhalten.

Den Stärkungspakt hält Stein dennoch für sinnvoll. Leverkusen ist ihm 2012 freiwillig beigetreten. Bis 2018 muss der Haushaltsausgleich erreicht sein, bis 2021 auch ohne die zusätzlichen Landesmittel. Die Studie führt Leverkusen aber noch als die NRW-Stadt mit dem größten Sprung nach oben bei der Pro-Kopf-Verschuldung auf: von 3807 auf 4914 Euro zwischen 2012 und 2015 — ein Plus von 29 Prozent.

Stein führt das auf vermehrte Kassenkredite zurück, die aufgenommen worden seien, um das Allzeittief bei der Gewerbesteuer im Jahr 2014 zu kompensieren. Damals waren nur 25 Millionen Euro in den Stadtsäckel geflossen. „Diese Situation hat sich zum Glück nicht fortgesetzt.“ Aber allgemein gelte nun mal: „Problemlagen wie Strukturwandel oder höhere Soziallasten decken sich in der Regel mit der Haushaltssituation der Kommunen.“

Im Innenministerium weist man die Kritik, die Kommunen im Stich zu lassen, weit von sich. Den NRW-Kommunen werde über das Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 die Rekordsumme von 10,64 Milli-arden Euro ausgezahlt, so ein Sprecher. „Und der Stärkungspakt wirkt.“ Man brauche nur Geduld.

2017 kommen zu den bisher 61 Kommunen abschließend noch einmal fünf dazu — darunter jetzt auch Mülheim an der Ruhr. Die Stadt ächzt: weniger Steuereinnahmen, höhere Sozialausgaben, teure Zuschüsse für den öffentlichen Nahverkehr. Der Spitzenplatz bei der Verschuldungsdynamik sei „besorgniserregend“, hatte Kämmerer Uwe Bonan schon vor einem Jahr geklagt — und die Aufnahme in den Stärkungspakt gefordert.

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