Groko-Einigung: Salz in SPD-Wunden und ein vernichtendes Urteil der Opposition

Wie man in NRW auf die Einigung reagiert — und wie SPD-Chef Groschek schon mit Haut und Haar auf Groko-Kurs einschwenkt.

 „Ja, ich habe zugestimmt und kann guten Gewissens dafür werben“: SPD-Landesschef Michael Groschek trommeltegestern offensiv für ein neues Bündnis mit der Union.

„Ja, ich habe zugestimmt und kann guten Gewissens dafür werben“: SPD-Landesschef Michael Groschek trommeltegestern offensiv für ein neues Bündnis mit der Union.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. An manchen Stellen müssen sich CDU und SPD noch an den Gedanken gewöhnen, nun vielleicht doch nicht vier Jahre lang ungeschminkt aufeinander losgehen zu können. Bodo Löttgen, CDU-Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Landtag, twittert jedenfalls am Vormittag genüsslich die Forderung des SPD-Vizevorsitzenden Ralf Stegner, eine Bürgerversicherung sei Bedingung für eine große Koalition. Löttgens süffisanter Kommentar dazu: „#Sondierungen beendet. Keine #Buergerversicherung im gemeinsamen Ergebnistext. Wie wäre es mit einer neuen Musikempfehlung, lieber @Ralf_Stegner? ,I’m a loser’ könnte passen . . .“

Salz in die Wunden der Groko-skeptischen NRW-SPD. Während Löttgens SPD-Amtskollege Norbert Römer noch auf Zeit spielt („Ich kann nur allen raten, das Papier genau zu lesen und zu analysieren. Das werden wir in Ruhe tun und in unseren nordrhein-westfälischen Gremien breit diskutieren“), stellt sich Landesvorsitzender Michael Groschek in bewährter Manier direkt wieder in den Wind. „Ja, ich habe zugestimmt und kann guten Gewissens dafür werben“, bekennt er und haut gleich noch einen Seitenhieb auf die FDP mit raus: „Besser gut regieren als nicht regieren.“ Seine Rechnung, um die Basis zu überzeugen: Mit 20 Prozent der Stimmen habe die SPD 80 Prozent ihrer Ziele erreichen können.

In der SPD kursiert schon eine Positivliste des Erreichten. Der Düsseldorfer SPD-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Andreas Rimkus ist aber nach wie vor „kein Freund der Groko“, deshalb tritt er auch erst einmal auf die Euphoriebremse: „Das sind Sondierungsergebnisse, mehr nicht. Ausschlaggebend bei uns wird allein der Mitgliederentscheid sein.“ Da weiß er sich eins mit dem Krefelder SPD-Vorsitzenden Ralph-Harry Klaer: „Am Ende muss ohnehin die Basis entscheiden. Und das ist auch gut so!“ Die NRW-Jusos haben schon angekündigt, beim Nein zur Neuauflage der Groko zu bleiben.

Die Mehrheit der Partei zu überzeugen, wird nicht nur zur Nagelprobe für den Bundesvorsitzenden Martin Schulz, sondern auch für den noch kürzer im Amt befindlichen NRW-Chef Groschek. Am Montag und Dienstag will Schulz zwei große Vortreffen von Parteitagsdelegierten in Dortmund und Düsseldorf besuchen und dort die Genossen bearbeiten. NRW stellt etwa ein Viertel aller Delegierten beim Bundesparteitag am 21. Januar in Bonn, der über eine Aufnahme der Koalitionsverhandlungen entscheidet.

Der Wuppertaler CDU-Abgeordnete Jürgen Hardt, Mitglied des Sondierungsteams, begrüßt das Ergebnis „uneingeschränkt“ und erkennt im Ergebnis „klar die Handschrift der Union“. Das macht er unter anderem am Verzicht auf neue Schulden und Steuererhöhungen sowie an den Plänen für den Familiennachzug, die Rückführung des Solidaritätszuschlags und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben fest. „Eine Regierung auf dieser Basis würde Deutschland zukunftsfähig und sozial gerechter machen.“

Salomonisch freut sich der CDU-Abgeordnete Uwe Schummer (Kreis Viersen) über einen „guten Tag“: „Es ist gut, dass sich beide Seiten auf ein Positionspapier verständigt haben, in dem sie sich auch inhaltlich in wichtigen Positionen wiederfinden.“ Marc Blondin, Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Krefeld, ist daher auch mit Blick auf die Sozialdemokraten zuversichtlich: „2013 haben drei Viertel der SPD-Mitglieder für den ausgehandelten Koalitionsvertrag gestimmt. Ich bin optimistisch, dass es am Ende zu einer tragfähigen Vereinbarung kommt.“

Zurückhaltend äußert sich NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, symptomatisch für die FDP-Position zwischen Baum und Borke: in Düsseldorf mit der CDU an der Regierung, in Berlin raus aus dem Machtspiel. „Das Sondierungsergebnis ist ein entschlossenes Weiter so und kein großer Wurf“, sagt er. „Auch kann ich da keine Ambitionen im Bereich der Steuern und der Digitalisierung erkennen. Ich befürchte keine erheblichen Nachteile im Vergleich zum aktuellen Status quo.“

Als „durchwachsen“ bewertet NRW-Handwerkspräsident Andreas Ehlert das Zwischenergebnis: „Aus Sicht des Handwerks ist gut, dass mit einem Berufsbildungspakt mehr Investitionen angekündigt werden. Auch die Ankündigungen in Sachen Migration und Integration gehen in die richtige Richtung. Ich hätte mir aber mehr Ausgabendisziplin und vor allem eine deutlichere Steuerentlastung für Unternehmen und Arbeitnehmer gewünscht.“

Umso schärfer geht Mona Neubaur, NRW-Vorsitzende der Grünen, mit dem Ergebnis ins Gericht: „Unsere Befürchtungen bestätigen sich: Klimaschutz und Energiewende verkommen bei der Neuauflage der Groko zum Randaspekt. Einst verbindliche Klimaziele werden handstreichartig kassiert. Dass der Kohleausstieg es überhaupt in ein Sondierungspapier von CDU und SPD geschafft hat, ist reine Symbolik — ohne einen konkreten Ausstiegszeitpunkt und -fahrplan bleibt er eine hohle Phrase.“

Die Flüchtlingspolitik werde von einer radikalen Minderheit aus Bayern diktiert: „Die CSU hat ihre Obergrenze doch noch bekommen, und zwar beim Familiennachzug.“

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