Woche des Respekts in NRW Gesetzesinitiativen: Was tun gegen den Respektverlust?

Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) versucht mit Gesetzesinitiativen gegenzusteuern.

Woche des Respekts in NRW: Gesetzesinitiativen: Was tun gegen den Respektverlust?
Foto: dpa

Düsseldorf. Woher kommt die allenthalben wachsende Respektlosigkeit, die die Landesregierung nun sogar dazu gebracht hat, eine „Woche des Respekts“ auszurufen? Eine Aktion, bei der zur gegenseitigen Achtung und zum respektvollen Umgang miteinander geworben wird. Wie kommt es zu der zunehmenden Rücksichtslosigkeit etwa im Straßenverkehr, zu gewaltsamen Übergriffen gegen Polizisten und andere Amtsträger sowie zu psychischer und physischer Gewalt gegen Lehrer? Darauf hat auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) keine feststehende Antwort. Aber eine Vermutung.

In einer Pressekonferenz im Landtag sagte Kraft Mittwoch: „Ich glaube, in unserer Gesellschaft ist da etwas verrutscht. Grenzen sind immer weiter nach hinten geschoben worden. Da werden Dinge gesagt, die man früher nicht gesagt hat. Ich bin mir nicht sicher, welche Rolle dabei die sogenannten neuen Medien spielen und die dort zu findende Verrohung der Sprache — ich weiß nicht, ob das ausreicht als Erklärung.“ Ein Forschungsprojekt zu Gewalt gegen Einsatzkräfte gehe derzeit auch dieser Frage auf den Grund — Ergebnisse sollen zum Jahresende vorliegen.

Mit Blick auf die in dieser Woche veröffentlichte Studie zu Gewalt von Schülern und Eltern gegen Lehrer sagte Kraft, sie sei schockiert gewesen, dass viele Lehrer die Übergriffe gar nicht melden. Ihr Appell an die Lehrer: bitte an die Schulleitung und die Schulämter wenden, auf deren Unterstützung die Lehrer sich verlassen können müssten. „Hass und körperliche Gewalt müssen für die Täter Konsequenzen haben, da darf es keine Toleranz geben.“ Lehrer müssten sicher sein, dass sie hier nicht allein stehen.

Beleidigungen und Angriffe sind auch in anderen Bereichen ein zunehmendes Problem. Daher, so kündigte Kraft Mittwoch an, habe eine Bundesratsinitiative von Nordrhein-Westfalen den Schutz von Amtsträgern, Nothelfern und Ehrenamtlichen vor Beleidigungen und Angriffen im Blick. Dafür soll es keinen neuen Straftatbestand geben, sondern Richter sollen die Möglichkeit haben, bei der Strafzumessung solche Übergriffe strafverschärfend zu berücksichtigen. Jedes Verhalten, das eine gemeinwohlgefährdende Haltung erkennen lässt, soll zu einer höheren Bestrafung des Täters führen.

Eine weitere Maßnahme: Denjenigen, die Opfer solcher Übergriffe geworden sind, soll vom Land geholfen werden. Wenn sie nach einem Übergriff gegen einen zahlungsunfähigen Täter kein Schmerzensgeld durchsetzen können, soll das Land dafür in Vorleistung gehen. Die CDU-Landtagsfraktion hatte einen entsprechenden Vorstoß, bezogen auf im Dienst angegriffene Polizisten, schon vorher gemacht. Die Kraft-Regierung greift das nun auf und dehnt die geplante Regelung auf alle Landesbediensteten und Tarifangestellten aus, die im Dienst Opfer von Gewalttaten werden.

Dass das Klima nicht nur mit Blick auf Landesbedienstete, sondern auch in mancherlei anderer Hinsicht rauer werden kann — auch darauf wurde die Ministerpräsidentin Mittwoch in der Landespressekonferenz angesprochen.

Beim Thema der Bedrohung durch radikale Islamisten begrüßt Kraft das entschiedene Vorgehen gegen die Organisation „Wahre Religion“, die mit ihrer Gratis-Verteilung des Korans und dem Motto „Lies“ zu Bekanntheit gekommen ist. Kraft dazu: „Ich bin sehr froh, dass diese Organisation verboten worden ist. Wir hatten hier bisher keine Handhabe. Nun müssen wir mit aller Härte vorgehen.“ Kraft warnt aber auch, dass „wir nicht alle diejenigen, die dem Islam als Glauben zugehörig sind, ausgrenzen dürfen aus unserer Gesellschaft, weil es da eine Schleife gibt: Ausgrenzung von friedlich hier Lebenden führt sehr häufig in Richtung Radikalisierung und das führt dann weiter in Richtung Extremismus.“

Wie sie die Gefahr sieht, dass sich das verschlechterte Verhältnis zur Türkei und die zunehmend schrilleren Töne auch hierzulande auswirken können, wird sie gefragt. „Ich habe ein hohes Interesse daran, dass diese Konflikte nicht stellvertretend in unserem Land ausgetragen werden. Diejenigen, die hier leben, sind Bürger des Landes NRW, und diese Konflikte gehören nicht hierher, sondern sie müssen vor Ort ausgetragen werden.“ Dass jemand, der hier lebt und seine Familie in der Türkei hat, die Entwicklung mit großer Sorge verfolge, könne sie nachvollziehen. Wichtig sei aber, dass sich diese Konflikte nicht hierher verlagern.

Was sagt die Regierungschefin und SPD-Wahlkämpferin angesichts der Landtagswahl im nächsten Mai zu der US-Wahl? Schließlich hat sich hier gezeigt, dass die Menschen ohne oder mit verdrehten Fakten manipuliert werden. Kraft glaubt, dass man die Verhältnisse in den USA nicht auf NRW übertragen kann. „Wir sind ein solidarisches Land in NRW, hier schaut nicht jeder nur auf sich, die Mehrheit sieht immer auch auf das Ganze.“ Dennoch mache ihr die Art und Weise, wie dort der Wahlkampf geführt worden ist, große Sorgen. Wichtig sei, dass Politik glaubwürdig ist, dass man nicht mehr verspricht, als man halten kann und dass man das umsetzt, was man versprochen hat.

Mit Blick auf das Wort von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die von den postfaktischen Zeiten gesprochen hat, in denen Argumente immer weniger zählen, will Kraft nicht so pessimistisch sein. Ein Wahlkampf biete immer auch die Chance, mehr über Fakten zu sprechen. „Von uns aus wird es jedenfalls nicht die Strategie geben, dass wir demnächst auch mal ohne Fakten und mit Bauchgefühl oder Hetze unterwegs sind.“

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