Gen-Mais bedroht Bienenvölker

Gentechnik: Deutsche Imker sprechen von einer existenziellen Bedrohung – und warnen vor volkswirtschaftlichen Milliardenschäden.

Düsseldorf. Klaus Maresch denkt nicht gerne an das große Sterben zurück. Vor vier Jahren, da hat es seine Bienen fast dahingerafft. "Sie können sich nicht vorstellen, wie das ist, sechs Tonnen totes Material in die Müllverbrennungsanlage zu werfen", sagt der Bonner Imker. Und nach einer Pause fügt er hinzu: "Bienen sind zwar keine Kuscheltiere, aber wir lieben sie trotzdem."

Klaus Maresch hat Angst: dass neue Krankheiten im Bienenstock grassieren, dass die Gentechnik sich in Deutschland durchsetzt, dass es irgendwann zu einem Desaster kommt wie in den USA, wo ein mysteriöses Bienensterben weite Teile des Bestands ausrottete.

Der Exodus der Honigproduzenten ist in den USA längst zum Politikum geworden, weil die bedrohte Spezies als Bestäuber der wichtigsten Nutzpflanzen gebraucht wird.

Umweltschützer haben vor allem GenTech-Pflanzen im Verdacht: Die Anreicherung von Pestiziden, Parasiten und eben Gen-Pollen in den Körpern der Bienen sei ein "giftiger Cocktail", der Milliarden Tiere verenden lasse.

Reiner Birkmann von der deutschen Imkerorganisation Mellifera ist deshalb überzeugt: "Wenn sich auf den Feldern die Gentechnik durchsetzt, müssen die meisten Imker aufgeben, dann gibt es die Gratis-Bestäubungsleistung im volkswirtschaftlichen Wert von zwei Milliarden Euro eben nicht mehr." Und dann seien Ernteausfälle von 10 bis 30 Prozent zu erwarten.

Die Imker erhalten jetzt Argumentationshilfe von der Bundesregierung, die gesundheitliche Risiken für Insekten beim Anbau der Genmaissorte MON 810 sieht. Neuere Studien hätten negative Einflüsse auf Lebensdauer und Vermehrung der Tiere aufgedeckt, hieß es gestern in Berlin. Der Anbau von Gen-Mais sei "eine Gefahr für die Umwelt". Wegen möglicher Risiken hatte Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) bereits vor Wochen die Notbremse gezogen und den Saatguthandel mit der veränderten Maissorte vorerst gestoppt.

In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit zwar nur im Kreis Borken eine Anbaufläche von verändertem Mais, dennoch bringt das vom US-Gen-Multi Monsanto bestellte Feld die NRW-Grünen in Rage: "Das Bundessortenamt hat Monsanto längst angewiesen, den Anbau in Borken wegen der Nichteinhaltung von Sicherheitsabständen zu stoppen", sagt der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Johann Remmel, doch geschehen sei bislang nichts. Schwere Vorwürfe macht er nun der schwarz-gelben Landesregierung: "Umweltminister Uhlenberg und die CDU lassen die Öffentlichkeit im Unklaren, wohin sie in Sachen Gentechnik wollen." Greenpeace kündigte derweil gemeinsam mit Imker-Verbänden eine Eilklage an, den Anbau von Genmais umgehend zu verbieten.

Sollte sich die Gentechnik auf deutschen Äckern durchsetzen, sind nach Auffassung der Imker nicht nur der Honig kontaminiert und die Bienenvölker krank. Die Züchter befürchten zudem Fehden zwischen ihnen und den Bauern: Aus Angst, die Insekten würden veränderte Pollen auf ihre Äcker tragen, könnten die Landwirte es den Imkern verbieten, ihre Bienenstöcke auf den Feldern aufzustellen.

Anbauflächen Sie haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren vervielfacht. Waren es 2005 noch 350 Hektar, waren es 2006 schon 950 Hektar. Für dieses Jahr sind bereits 3770 Hektar angemeldet worden. Vor allem in den neuen Bundesländern wird der Mais angebaut.

Das Gift Der Mais produziert durch ein Zusatz-Gen einen für Schädlinge giftigen Stoff, das BT-Toxin, das ihn vor Befall schützt.

Politik Die Bundesregierung will mit einem neuen Gentechnikgesetz Anbauregeln festlegen. Der Abstand zwischen Genmaisfeldern und dem übrigen Anbau soll 150 Meter betragen. Umweltverbände fordern aber ein Verbot und betonen, dass 80 Prozent der Deutschen Gen-Food ablehnen.

Szenario Bei großflächigem Anbau werden sich Insekten von den veränderten Pollen ernähren. Die Honigbiene überträgt aufgrund ihres Flugradius von drei Kilometern die Pollen von veränderten auf nicht veränderte Pflanzen und kontaminiert sie dadurch.

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