NRW Ein Jahr vor der Landtagswahl kommen Farbenspiele in Gang

In einem Jahr wählt Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Noch zwölf Monate Restlaufzeit für Regierungschefin Kraft oder weitere fünf Jahre Rot-Grün? Jüngste Umfragen sagen: Alles ist offen, alle Farbenspiele sind möglich. Kann die Anti-Islam-AfD mobilisieren?

Blick in den Landtag: In einem guten Jahr wir die Zusammensetzung neu gewählt.

Blick in den Landtag: In einem guten Jahr wir die Zusammensetzung neu gewählt.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. Ob Silvester-Horror, kränkelnde Wirtschaft oder Schulstreitfragen wie das Turbo-Abi: In Nordrhein-Westfalen haben viele Polit-Akteure schon auf Wahlkampfmodus umgestellt. Nicht verwunderlich, denn in einem Jahr wird es wirklich spannend im bevölkerungsreichsten Bundesland. Am 14. Mai 2017 wählt NRW einen neuen Landtag, es ist zugleich das letzte und wichtigste Wähler-Votum vor der Bundestagswahl.

Nach Umfragen hätte die rot-grüne Regierung von Hannelore Kraft (SPD) aktuell keine Mehrheit mehr. Mit Blick auf andere Bündnisse kommt farbenfrohe Fantasie in Gang. So manchen treibt in dem Land mit hoher Zuwanderung und vielen Muslimen auch die Frage um: Werden demnächst Abgeordnete der Anti-Islam-Partei AfD im Düsseldorfer Landtag Platz nehmen?

Der NRW-Wahl komme große Bedeutung zu, daher werden Wahlkampf und mögliche Koalitionssignale auch bundespolitisch genau beobachtet, glaubt Parteienforscher Sebastian Bukow. Er rechnet damit, dass die Landesparteien sich zunächst nicht klar auf Koalitionspartner festlegen, sondern nur Präferenzen äußern. Fest steht allerdings: Mit den Rechtspopulisten will definitiv keiner zusammenarbeiten. „Momentan sammelt die AfD Protestwähler ein. Sollte aber die Flüchtlingsfrage im Wahlkampf keine so große Rolle mehr spielen, weil sie bis dahin operativ gelöst werden konnte, ist fraglich, ob die AfD allein mit einer Anti-Islam-Haltung mobilisieren kann“, meint Bukow.

Das Ziel von Ministerpräsidentin Kraft - nach nun sechs Jahren im Amt - lautet: Auch nach dem 14. Mai 2017 Chefin einer rot-grünen Regierung bleiben. „Ich mache mit Leidenschaft Politik“ und „Wir haben noch eine Menge vor“, sagte die 54-Jährige jüngst der Deutschen Presse-Agentur. Aber auch über eine reizbare, mitunter antriebslos wirkende Regierungschefin wird viel geschrieben in diesen Tagen, auch über ein bröckelndes Image als „Kümmerin“. Überzeugungsarbeit und gewaltige Aufgaben stehen an - in Bildung, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Verkehr, bei Energiewende, Digitalisierung, Flüchtlingsintegration. NRW ist hoch verschuldet. Es gibt auch Zweifel, ob Rot-Grün für all das die richtigen Rezepte hat.

„Von der Anfangsdynamik der rot-grünen Regierung in ihren ersten zwei, drei Jahren ist wenig geblieben. Es ist dringend nötig, ein Jahr vor der Landtagswahl neue aktive Elemente zu setzen“, betont Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann. „Die Regierung scheint sich zu sehr in Alltagsproblemen zu verfangen, sie müsste aber weitblickend Strategien entwickeln, wenn sie die Wahl gewinnen will.“ Dabei sein einiges vorangekommen, etwa in Bildungsfragen.

Sorgen bereitet die Wirtschaft, die 2015 in NRW nicht einmal marginal wuchs - ein Absturz auf den letzten Platz unter allen Bundesländern. Auch bei Wertschöpfung, Industrie-Entwicklung und Investitionen fällt NRW laut einem Gutachten des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI deutlich zurück. Die höchste Arbeitslosigkeit unter den deutschen Flächenländern ist schon länger Realität. Diagnose von FDP-Chef Christian Lindner: „Unserem Land geht es nicht gut. Und der Regierung von Hannelore Kraft fehlt die Idee, wie es besser werden könnte.“

Die Bürger trauten der Regierung keine Antworten auf die drängenden Fragen im Land zu, glaubt Lindner. Einer repräsentativen Umfrage von Insa - im FDP-Auftrag - zufolge meinen 60 Prozent von 1100 Befragten, Rot-Grün unternehme nicht genug, um Probleme wie Arbeitslosigkeit, geringes Wirtschaftswachstum oder hohe Staatsverschuldung zu lösen. Das heiße aber noch lange nicht, dass die Bevölkerung dies der CDU oder der FDP zutraue, gibt Wissenschaftler Bukow zu bedenken.

Was sagt die CDU von Armin Laschet ein Jahr vor der Wahl? Sie will mit dem Thema Innere Sicherheit angreifen, gegen eine „Erosion des Rechtsstaates“ angehen. Die CDU hat nach den sexuellen Übergriffen auf Hunderte Frauen in der Kölner Silvesternacht vor allem Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Visier. Bundes-Vizeparteichef Laschet würde gern Ministerpräsident werden. Aber Schwarz-Gelb käme aktuell nicht auf eine Mehrheit. Eine große Koalition gilt als unwahrscheinlich, ebenso Rot-Grün-Rot mit der Linkspartei. Eine Ampel schließt die FDP aus.

Experte von Alemann meint: „Alle Parteien wären gut beraten, wenn sie deutlich herausstellen würden, was ihr ureigenes Produkt ist, was sie von den anderen unterscheidet. Das wird die Aufgabe des kommenden Wahlkampfes sein.“ Und: „Das sollten die etablierten Parteien eben nicht der AfD überlassen.“

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