Dreckige Schulen durch private Putzfirmen?

Private Dienstleister oder städtische Reinigungskräfte? Vor dieser Wahl stehen viele Kommunen in NRW bei der Reinigung von Schulen. Dabei gibt es Konflikte, wie ein Fall aus Witten zeigt.

Dreckige Schulen durch private Putzfirmen?
Foto: dpa

Düsseldorf/Witten. Irgendwann hatte Stefan Richter, Leiter der Buchholzer Grundschule in Witten, die Faxen dicke: Nachdem er das Schulgebäude vor wenigen Tagen nach eigenem Bekunden zum wiederholten Male sichtlich verschmutzt vorgefunden hatte, schickte er die Kinder kurzerhand nach Hause. Eine drastische Maßnahme, die aus Richters Sicht aber notwendig war, um auf die mangelnde Sauberkeit in den Klassenräumen und Sanitäranlagen der Schule aufmerksam zu machen: „Seit drei Jahren werden die Reinigungsarbeiten jetzt von einer privaten Gebäudereinigung statt von städtischen Kräften durchgeführt. Seitdem hat die Sauberkeit spürbar gelitten“, klagt der Lehrer im Gespräch mit dieser Zeitung.

Tatsächlich wurde die Reinigung durch die Firma Piepenbrock an jenem Tag in Witten gar nicht durchgeführt, was nach Angaben des Unternehmens einem internen Kommunikationsfehler geschuldet war: Der krankheitsbedingte Ausfall einer Reinigungskraft sei nicht an die zuständige Objektleitung weitergegeben worden, wofür man sich in aller Form entschuldige, heißt es aus der Pressestelle des Unternehmens.

Doch sei der Fall aus Witten symptomatisch für eine Problematik, über die sich die Politik in vielen Städten und Gemeinden streitet, sagt Wittens Stadtsprecherin Lena Kücük: „Für viele Kommunen ist es eine Grundsatzfrage, ob sie die Reinigung öffentlicher Gebäude allein mit städtischem Personal stemmen, oder ob sie diese Aufgaben auch auf private Dienstleister auslagern. Diese Diskussion haben die Ratsfraktionen bei uns in Witten auch lange geführt.“

Gerade die Personalräte plädierten energisch dafür, dass die Reinigung öffentlicher Gebäude wie Schulen und Kitas eine Kernaufgabe des öffentlichen Dienstes bleiben müsse. „Allerdings können wir gar nicht so viel städtisches Personal einstellen, um die Reinigungsarbeiten komplett mit eigenen Kräften zu bewältigen. Es gibt durchaus wirtschaftliche Gründe, das aufzuteilen“, so Kücük. Deshalb setze man in Witten auf einen „Gemischtwarenladen“ aus städtischem und privatem Engagement.

Auch in den Städten in der Region nehmen die privaten Dienstleister eine zunehmend wichtige Rolle bei der Gebäudereinigung in Schulen ein: So setzt Krefeld „bis auf wenige Ausnahmen“ auf private Reinigungsunternehmen in seinen Objekten. „Die wenigen verbleibenden Stellen der Eigenreinigung werden nach Ausscheiden der jetzigen Kräfte nicht wiederbesetzt“, erklärt Sprecherin Angelika Peters. Auch dort komme es immer wieder zu Beschwerden aufgrund von „Spontanverschmutzungen“ in den Krefelder Schulen, vor allem im Bereich der Toilettenanlagen. Die Stadt beantrage in solchen Fällen kurzfristig zusätzliche Reinigungen.

Ähnlich ist die Entwicklung in Remscheid, wo ebenfalls die Reinigung der städtischen Gebäude im Rahmen von formalen Ausschreibungesverfahren zunehmend an externe Dienstleister vergeben werden, während eigene städtische Reinigungskräfte nach und nach ausscheiden, heißt es.

In Solingen bestreitet die Stadt einen Großteil der Gebäudereinigung hingegen mit eigenen Kräften — bei vier Fünftel der Mitarbeiter in diesem Segment handelt es sich nach Angaben der Stadt um städtische Angestellte. Beschwerden über mangelnde Hygiene in Schulgebäuden gebe es in der Klingenstadt eher selten. Düsseldorf und Wuppertal waren gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Gerade die privaten Unternehmen für Gebäudereinigung stehen in Gewerkschaftskreisen allerdings in dem Ruf, extrem profitorientiert zu arbeiten — was aus Sicht der Gewerkschaft IG Bau gleich mehrere negative Auswirkungen mit sich bringt: „Der Zeitdruck, unter dem die Mitarbeiter der privaten Dienstleister stehen, hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen“, kritisiert Holger Vermeer, Regionalleiter der IG Bau Rheinland. „Wann immer wir in unseren Tarifverträgen eine prozentuale Lohnerhöhung ausgehandelt haben, wurde seitens der Unternehmen an der Leistungsschraube gedreht. Das heißt, die Mitarbeiter müssen immer mehr Leistungen in immer kürzerer Zeit erbringen.“ Was nicht nur Konsequenzen für die Gesundheit der Mitarbeiter habe: „Irgendwann leidet darunter natürlich die Qualität. Wenn ich meinen Auftrag anders nicht schaffen kann, mache ich nur kurz ,wisch-wisch’ und der Rest bleibt eben liegen“, sagt Vermeer.

Ein Vorwurf, den man bei Piepenbrock so nicht stehen lassen will. Das Unternehmen gehört zu den umsatzstärksten Playern in der Gebäudereinigung und versichert auf Anfrage: „Unsere Aufträge sind so kalkuliert, dass die Aufgaben in den vertraglich vereinbarten Zeiten von unseren Reinigungskräften erledigt werden können. Für jeden Auftrag findet eine objekt- und raumspezifische Kalkulation statt.“ Diese berücksichtige die Gegebenheiten vor Ort und beziehe beispielsweise Bodenbeläge, das Reinigungsintervall, die Einrichtung des Klassenzimmers sowie die konkret beantragten Leistungen mit ein.

Von einem knallharten Wettbewerb, bei dem die Unternehmen sich bei Ausschreibungen auf dem Rücken ihrer Mitarbeiter gegenseitig mit Dumpingpreisen unterbieten würden, will man beim Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks indes nichts wissen, wie Sprecherin Steffi Reuter klarstellt: „Die Auftragslage in der Branche ist zufriedenstellend und der Bedarf an professioneller Gebäudereinigung seit Jahren groß. Die Unternehmen beschäftigt eher das Problem, dass sie kaum noch Personal finden, als die Wettbewerbssituation untereinander.“ Für die Mitgliedsunternehmen des Verbandes gelten außerdem mit der Gewerkschaft ausgehandelte Tarifverträge.

Lehrer Stefan Richter hat sein Ziel mit seiner öffentlichkeitswirksamen Aktion in Witten übrigens erreicht: „Ich habe jetzt eine saubere Schule. Mehr wollte ich gar nicht.“

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