Die FDP feiert den neuen Star

Die Liberalen verschärfen vor der NRW-Wahl den Ton. Vor allem Generalsekretär Lindner sorgt für Aufbruchstimmung.

Köln. Was der Parteivorsitzende in diesem Moment wohl denkt? Gerade hat der vom Parteitag am Samstag mit einem 96-Prozent-Traumergebnis gewählte Generalsekretär Christian Lindner (31) seine Rede beendet, die - je länger sie dauert - immer furioser wird. Mit einem rhetorischen Stakkato grenzt er seine Partei von der CDU ab.

Finanzminister Wolfgang Schäuble sei ein "Finanzphilosoph", der "bisher noch keinen konkreten Sparvorschlag eingebracht" habe. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers verlasse mit seiner Abkehr von der Formel "Privat vor Staat" die "Grundlagen einer bürgerlichen Regierung". Die Delegierten springen nach seiner Rede wie auf Kommando auf und spenden tosenden Applaus.

"Ganz stark", kommentiert Westerwelle. "Der Lindner ist in eine Verzagtheitslücke gestoßen", sagt ein Berater. Etliche Liberale, die Lindner zuvor nicht kennen gelernt hatten, sprachen am anschließenden Parteiabend den einen Satz: "A new star is born" (Ein neuer Star ist geboren).

Ein neuer Star ist aber auch Konkurrenz. Westerwelle sieht das zwar als "liberalen Luxus" und betont, dies sei Resultat seiner eigenen Nachwuchsarbeit. Es fällt aber schon auf, dass die Delegierten über die Zeit nach einem Parteichef Westerwelle spekulieren.

Das Parteitagsprogramm gilt als Beleg: Am Freitag düst Westerwelle - von einer Abrüstungskonferenz aus dem Baltikum kommend - via Berlin nach Köln, um an Gremiensitzungen teilzunehmen. Samstagmorgen nimmt er in Ingolstadt an der Trauerfeier für die in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten teil. Dann eilt er zurück nach Köln - gerade rechtzeitig, um Lindner als Generalsekretär vorzuschlagen. In der Nacht feilt er an seiner Rede.

Mitten in die Steuer-Antragsdebatten hinein wird dann am Sonntag der Parteitag für die Westerwelle-Rede unterbrochen. Eine gewisse Spannung liegt über dem Saal: Wie wird er sich schlagen? "Wir wollten im Herbst nicht regieren, damit es einen Regierungswechsel gibt, sondern damit es einen Politikwechsel gibt", ist der Schlüsselsatz der 90-minütigen Rede. Dabei gebe es Widerstände.

Es sei die große Frage, ob dieses Land den notwendigen Veränderungswillen habe, der den "Beharrungswillen überwiegt". Er verlangt etwas mehr Optimismus. Daraus leitet er das grundsätzliche liberale Staatsverständnis ab: Die FDP setze auf das Private. Er wiederholt auch die liberale Kampfansage dagegen, dass die "Leistungs- und soziale Gerechtigkeit nicht mehr als zwei Seiten ein und derselben Medaille" gesehen werde.

Dann streift er durch die Themenfelder, die er vor allem mit Blick auf die NRW-Wahl am 9.Mai auswählt. Es mache "keinen Unterschied, wer regiert?", fragt er. In NRW habe die SPD jahrzehntelang kohlepolitisch "Geld in dunkle Schächte investiert". Mit FDP-Hilfe habe man das Geld in "helle Köpfe" gegeben.

"Erkennen wir an, was begonnen wurde", appelliert er an die FDP-Funktionäre an der Basis. Tosender Applaus. Die Delegierten springen ähnlich begeistert auf wie nach der Lindner-Rede am Tag zuvor. Westerwelle entspannt sich.

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