Politik : Merkel am Dienstag bei Laschet: Herrenchiemsee in NRW
Düsseldorf Am Dienstag kommt Kanzlerin Merkel nach Düsseldorf. Vor einem Monat war sie ganz ähnlich noch in Bayern zu Gast. Was heißt das im Rennen von Laschet und Söder?
„Premiere vor weißblauer Kitschkulisse“ schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ vor ziemlich genau einem Monat und betitelte so die Zusammenkunft von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Meine Kutsche, mein Schiff, mein Schloss“ schrieb die FAZ. Es war die erste bayerische Kabinettssitzung überhaupt, zu der Merkel ihre Zusage gegeben hatte, was angesichts eines Beben gleichen Zwistes zwischen Söders Amtsvorgänger Horst Seehofer und Merkel zeigt, dass man als Kanzlerin alte Wunden nie zu tief schlagen lässt. Und auch beweist, dass Merkel keine Bilder im bayerischen Sonnenschein gescheut hat, mit deren Hilfe Söder nun in das unionsinterne Kanzlerrennen marschieren kann. Wer Merkels Gefallen hat, gilt in der Union noch immer etwas. Söder, einst gerne Merkel-Kritiker vor allem in Flüchtlingsfragen, hat das früh verstanden, nachdem er die Macht in Bayern übernommen hatte. Und dann: Die Kanzlerin, wie sie da so mit dem Schiff zum prunkvollen Schloss Herrenchiemsee übersetzt, an Söders Seite durch Bayern kutschiert und in Tracht gekleidete Kinder begrüßt: Ist Merkel also die freundliche Unterstützerin für den CSU-Kandidaten?
Was in Herrenchiemsee im Juli geschehen ist, wird am Dienstag in Düsseldorf und in der medialen Nachbetrachtung als Vergleich herhalten. Dann, wenn Merkel Chancengleichheit herstellt und das NRW-Kabinett mit Ministerpräsident Armin Laschet in Düsseldorf aufsucht. Dass der Vergleich unumgänglich ist, daran sind die Protagonisten Söder und Laschet mit ihren mal mehr, mal weniger direkt geführten Konfrontationen im Ringen um den politischen Führungsanspruch in der deutschen Version der Corona-Pandemie nicht ganz unbeteiligt.
Sei es drum: Geplant ist der Besuch für diesen Dienstag, Merkel und die Laschet-Brigade treffen sich nicht in der Staatskanzlei am Horionplatz, sondern im ausgesuchten Düsseldorfer Ständehaus, wo bis 1988 das NRW-Parlament tagte, ehe am Rheinufer ein neues Gebäude entstanden war. Danach reist der ganze Tross ins Ruhrgebiet, um sich am Unesco-Welterbe auf Zeche Zollverein davon zu überzeugen, wie weit die von der Opposition so oft kritisierten Ideen der Landesregierung zur Ruhrkonferenz gediehen sind. Dort arbeiten zahlreiche Projektpartner aus unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft daran, den Strukturwandel im Ruhrgebiet zu beschleunigen. Dass die Kanzlerin mit den Akteuren zusammenkomme, sei ein wichtiges Signal, dass auch die Bundesregierung den Strukturwandel im Ruhrgebiet unterstütze, sagte Laschet. Am Ende ist auch das – wie sollte es vier Wochen vor den anstehenden Kommunalwahlen in NRW und vier Monate vor dem CDU-Parteitag, bei dem ein neuer Vorsitzender gewählt wird, auch anders sein – über jeden Arbeitsinhalt hinaus ein politischer Termin.
Keine Show: Man will
pragmatisch und fleißig wirken
Angemessen, aber nüchtern soll das Pozedere am Dienstag sein, so ist es aus der Staatskanzlei zu vernehmen. Kein zu großes Aufheben, eher arbeitsreich mit Inhalten wie den Auswirkungen der Corona-Pandemie oder die EU-Ratspräsidentschaft und keine Show a la Söder in Herrenchiemsee. Es ist nicht zu vermuten, dass in Essen Kinder in bergmännischer Tracht dabei sind. Bei aller Symbolik, der auch NRW-Ministerpräsident Laschet ob seiner Begeisterung für Historie und Zeitgeschichte nicht ganz fern ist: Man will pragmatisch wirken – und nicht anbiedernd.
Und damit ein Bild verstärken, das die NRW-Landesregierung in diesen komplizierten Pandemie-Monaten von sich gezeichnet wissen will: Als jene bienenfleißige Ansammlung von Pragmatikern, die auf Entwicklungen der Pandemie passgenau, flexibel und schnell reagieren: mal öffnend, mal schließend, gerade so, wie es die Lage erfordert. Ob man in diese flexible Haltung gezwungen wurde, weil sich Laschet und seine Minister zuerst einer zu ideologischen Öffnungsstrategie hingegeben hatten, oder diese Haltung aber als Gesamtkonzept von vornherein vorgesehen war, darüber haben die politischen Kommentatoren noch keine Einigkeit erzielt. Dass aber Laschet inmitten dieser diffusen Bewertung seiner Führungsqualitäten und bei immer noch verbesserungswürdigen persönlichen Umfragewerten öffentlichen Zuspruch der wieder erstarkten Kanzlerin ganz gut gebrauchen kann, ist offensichtlich. Es ist ein gutes Geschäft: Der Kanzlerin und ehemaligen Parteivorsitzenden bietet sich die Gelegenheit, die Zerstrittenheit in der Union und insbesondere in der CDU einzudämmen. Sie will die Partei als geschlossene Regierungspartei aufstellen.