Urteil Das Anlegen der Waffe ist für Polizisten Arbeitszeit

Das Anlegen von Pistole, Holster und Co gehört zur Dienstzeit eines Polizisten, bekräftigte das höchste NRW-Verwaltungsgericht in einem lange schwelenden Konflikt. Doch in Detailfragen dürfte der Streit jetzt erst richtig losgehen.

Nach dem Prozess wird der Streit wohl in Details weitergehen.

Nach dem Prozess wird der Streit wohl in Details weitergehen.

Foto: Oliver Berg

Münster. Für die Polizisten vor Nordrhein-Westfalens oberstem Verwaltungsgericht geht es um nicht weniger als die Frage der inneren Sicherheit - und um eine Stunde Arbeitszeit pro Woche. Der Richter will vor allem einen seit vielen Jahren schwelenden Streit zwischen Polizei und ihrem Dienstherrn, dem Land Nordrhein-Westfalen, beilegen.

Streitpunkt ist eine Sache von Minuten: Gehört die Zeit, die der Beamte vor Schichtbeginn und danach zum An- und Ablegen seiner persönlichen Einsatzgegenstände braucht, zum Dienst? Und wie ist gewährleistet, dass bei Schichtwechsel ausreichend einsatzfähige Polizisten bereitstehen, auch wenn viele noch mit dem Anlegen von Pistole, Reservemagazin, Handschellen und Co befasst sind?

Aus- und Abrüsten ist zusätzliche Dienstzeit, stellten die Richter am Dienstag für die nordrhein-westfälischen Polizisten klar. Möglicherweise leite sich daraus auch ein Ausgleichsanspruch ab - wie genau der aussehen könnte, darauf müssten sich sich Land und Gewerkschaften nun einigen. Oder weiterstreiten.

Aus Sicht der klagenden Beamten klaffen nämlich die Vorstellung des Dienstherrn und die Realität des Streifenpolizisten-Alltags weit auseinander. Das Auf- und Abrüsten sei keine Lappalie: Es geht darum, Pistole, Reservemagazin, Handschellen, Schlagstock und weitere Dinge anzulegen. Es heiße Waffe und Fahrzeug zu kontrollieren. Jeder Beamte habe zudem ein eigenes Köfferchen mit Einsatzgegenständen. Das kann ein Bezahlgerät sein, um Bußgelder auszustellen, Block, Stift, Spanngurte, Sicherheitsweste...

Aus Sicht der beklagten Polizeidirektionen und des Innenministeriums NRW als Dienstherrn gibt es jedoch eigentlich gar kein Problem: Seit 2014 regele ein Erlass, dass das Auf- und Abrüsten in der regulären Arbeitszeit geschehen soll. Niemand sei verpflichtet es anders zu handhaben. Zudem sei der Zeitaufwand gering. Mit überlappenden Dienstzeiten sorge man in einem landesweiten System dafür, dass stets ausreichend Kräfte im Einsatz seien.

Doch die Praxis scheint eine andere zu sein: Dem Ministerium liegen 5000 Anträge von Polizisten vor, die ihren Anspruch auf Anerkennung der sogenannten Rüstzeiten als Arbeitszeit geltend machen wollen. Etliche Verwaltungsgerichte haben sich bereits mit der Frage befasst und stets den Polizisten den Rücken gestärkt.

Die Kläger werfen dem Ministerium vor, seit Jahren sehenden Auges und wohlwollend hinzunehmen, dass etliche der rund 18 000 Beamten im Wach- und Wechseldienst täglich rund eine Viertelstunde an das Land verschenken. Diejenigen Polizisten, die erst pünktlich zu Dienstbeginn mit dem Aufrüsten beginnen, riskierten dagegen, dass bei jedem Schichtwechsel im Ernstfall zu wenig einsatzbereite Polizisten zur Verfügung stünden. „Bei einem Banküberfall oder Terroranschlag ist dann die Sicherheit gefährdet“, sagt ihr Anwalt Roland Neubert.

Viele Detailfragen lassen die Richter an diesem Donnerstag ungeklärt: Wieviel Zeit muss für das Auf- und Abrüsten kalkuliert werden? Welche Ansprüche können Polizisten denn nun geltend machen, wenn sie mehr gearbeitet haben, als vorgesehen? Wie lässt sich regeln, dass es nicht mehr zu einer Lücke beim Schichtwechsel kommt? Doch für die Klägerseite ist das Urteil der Richter ein Erfolg: Das Land könne sich nicht länger hinter seinem Erlass verstecken, sondern müsse nun mit den Gewerkschaften über die offenen Fragen verhandeln. (dpa)

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