Opferschutz Bilanz der NRW-Opferschutzbeauftragten - Auch viele Männer suchen Rat

Düsseldorf · Elisabeth Auchter-Mainz, seit Ende 2017 Beauftragte für den Opferschutz in NRW, zieht Bilanz: Es gab 820 Hilfsanfragen. Sie fordert mehr Hilfen für ältere Menschen, die Opfer des Enkeltricks geworden sind.

 NRW-Opferschutzbeauftragte Elisabet Auchter-Mainz bei einer Podiumsdiskussion im März in Wuppertal.

NRW-Opferschutzbeauftragte Elisabet Auchter-Mainz bei einer Podiumsdiskussion im März in Wuppertal.

Foto: Fischer, Andreas

Fast ihr gesamtes Berufsleben hat  Elisabeth Auchter-Mainz ihr Engagement einem Ziel gewidmet: gegen mutmaßliche und tatsächliche Straftäter zu ermitteln und diese dann auch im Gerichtssaal anzuklagen. Zuletzt, bis zu ihrer Pensionierung Ende 2016, als Generalstaatsanwältin in Köln. Wer die Täter im Blick hat, sieht freilich auch immer die Opfer und deren Leid. Eben diese Perspektive nimmt die heute 67-Jährige seit knapp eineinhalb Jahren besonders intensiv ein. Als „Beauftragte für den Opferschutz“ des Landes NRW, zu der sie Justizminister Peter Biesenbach (CDU) am 1. Dezember 2017 ernannte, zog sie am Dienstag eine Bilanz  der emotional belastenden Arbeit, die sie und ihr kleines Team seither geleistet haben. Neben Auchter-Mainz selbst stehen eine im Opferschutz erfahrene Staatsanwältin, eine Sozialarbeiterin und eine Assistenzkraft als zentrale Ansprechstelle des Landes für die Opfer von Straf- und Gewalttaten bereit.

Schnelle Hilfe verhindert manchmal auch eine Straftat

Bisher 820 Mal, so berichtet Auchter-Mainz, nahmen Hilfesuchende aus allen Regionen von NRW Kontakt zu den Ersthelfern in Sachen Opferschutz auf. Natürlich ging es dabei meist um Fälle, in denen die Tat bereits geschehen war. Aber es wurden auch drohende Straftaten verhindert. So erzählt Auchter-Mainz von dem Anruf einer jungen Frau, die befürchtete, in die Zwangsprostitution gedrängt zu werden. „In hoher Not rief sie bei uns an, wie sie sich schützen könne. Uns ist es noch am selben Tag gelungen,  mit Hilfe einer Fachberatungsstelle eine Schutzwohnung für sie zu finden.“ In einem anderen Fall habe eine Frau angerufen, die sich und ihr Kind vor der  Rückkehr ihres gewalttätigen Lebenspartners in Sicherheit bringen wollte. Auch da sei es gelungen, kurzfristig einen Frauenhausplatz zu finden.

Der Regelfall ist freilich, dass der tätliche Übergriff, eine Sexualstraftat, ein Einbruch oder ein Betrug bereits passiert sind.  Die Menschen brauchen dann „finanzielle oder therapeutische Unterstützung, ein offenes Ohr oder  einen guten Rat“, sagt Auchter-Mainz. Dabei ist klar, dass gerade die weitergehenden Hilfen nicht von dem kleinen Team geleistet werden können. Dieses übernimmt dann eine Lotsenfunktion, vermittelt den Kontakt zu diversen Hilfsorganisationen. Und klärt auf über den Weg zu möglichen Entschädigungszahlungen nach dem wenig bekannten Opfer-Entschädigungsgesetz.

Ganz wichtig ist für die Opferschutzbeauftragte auch, die Menschen, die zu Opfern von Straftaten geworden sind, in dem dann anlaufenden juristischen Verfahren nicht allein zu lassen. Eine zentrale Funktion hat für sie dabei die psychosoziale Prozessbegleitung: dass da jemand ist, den das Verbrechensopfer bei Vernehmungen oder auch während der Zeugenaussage in der gerichtlichen Hauptverhandlung an seiner Seite hat. Auch wenn ein solches Recht schon heute in der Strafprozessordnung geregelt ist, müsse dieses Instrument doch in der Praxis noch weiter gestärkt werden, fordert Auchter-Mainz.

Und noch andere Folgerungen ergeben sich für die Opferschutzbeauftragte aus ihrer knapp eineinhalbjährigen Tätigkeit. Unter anderem die, dass  es mehr Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Männer geben müsse. Auch für sie selbst war es eine Überraschung, dass 47 Prozent der Hilfesuchenden männlich sind. Unter ihnen seien auch ehemalige Heimkinder, die sexuelle und körperliche Übergriffe erlitten hätten.

Als Glücksfall sieht es Justizminister Biesenbach in diesem Zusammenhang, dass die Opferschutzbeauftragte ihren Sitz im Oberlandesgericht Köln hat. Viele Männer würden wohl davor zurückschrecken, in eine kleine Beratungsstelle zu gehen. Sie trauten sich eher in ein anonymes Gerichtsgebäude und die dort gelegenen Büroräume.

In herausragenden Fällen geht sie von sich aus auf die Opfer zu

Mehr Hilfen fordert Elisabeth Auchter-Mainz zudem für ältere Menschen, die etwa Opfer des Enkeltricks geworden sind. Bei den Staatsanwaltschaften, so schlägt sie vor,  sollten Sonderdezernate für bestimmte Opfergruppen eingerichtet werden, etwa für Opfer häuslicher Gewalt. Die Opferschutzbeauftragte wartet aber nicht nur darauf, dass Kriminalitätsopfer zu ihr kommen. In Fällen von besonderer Bedeutung nimmt sie von sich aus Kontakt zu diesen auf. So sei man etwa nach der Amokfahrt von Münster im April 2018 auf die Opfer und deren Angehörige zugegangen, um diesen Kontakte zu Organisationen zu vermitteln, die konkret weiterhelfen.

Ebenso habe man im Fall des vielfachen Kindesmissbrauchs von Lügde alle bisher bekannt gewordenen Opfer angeschrieben, um diesen Hilfestellung zu geben. In den nächsten Tagen will Auchter-Mainz vor Ort Beratungstermine machen, über die Möglichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung und die Bedingungen für die Opferentschädigung informieren.

Auch habe sie sich bereits mit dem für den Fall Lügde zuständigen Landgericht Detmold in Verbindung gesetzt, damit bei einem demnächst anstehenden Strafprozess die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden. Maßnahmen, die sicherstellen, dass als Zeugen geladene Missbrauchsopfer eigene Wartezonen oder Gerichtszugänge für sich und ihre Prozessbegleiter bekommen. Da habe sie den Eindruck gehabt, dass sie bei dem Gericht offene Türen eingelaufen habe, all das habe man im Blick.

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