Ende des Steinkohlebergbaus Ausstieg: Warum der Steinkohlebergbau noch lange Probleme machen wird

Mit einem Festakt begeht der Landtag am Mittwoch das Ende des Steinkohlebergbaus. Für die Geschädigten kommt der Ausstieg 60 Jahre zu spät.

Ende des Steinkohlebergbaus: Ausstieg: Warum der Steinkohlebergbau noch lange Probleme machen wird
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Düsseldorf. Zwei mit Steinkohle gefüllte Loren sind auf dem Vorplatz des Düsseldorfer Landtags aufgebaut. Den Treppenaufgang zum Plenarsaal schmücken 24 Fotoporträts von Bergleuten. In der Wandelhalle baut der WDR den Erlebnisstand „Einmal Kumpel sein“ auf. Schon am Tag vor dem Festakt zum Ende des Steinkohleabbaus an diesem Mittwoch hat die Landespolitik auf Kohle-Nostalgie umgerüstet. Aber zwei, die da nicht einstimmen wollen, melden sich derweil im Raum der Landespressekonferenz zu Wort.

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Für Klaus Wagner und Ulrich Behrens, die Vorstandssprecher des Landesverbands der Bergbaubetroffenen (LVBB) NRW, kommt die Verabschiedung des deutschen Steinkohlebergbaus 60 Jahre zu spät. „Der Bergbau geht, die Probleme bleiben“, sagt Wagner. Für die Betroffenen gebe es keine Lobby. „Sie können sich noch nicht einmal gegen Bergbauschäden versichern.“ Über den Bergbau habe dagegen die Politik stets ihre schützende Hand gehalten. Der LVBB beziffert die Subventionen für die Steinkohle seit 1958 auf 300 Milliarden Euro.

Aber wenn Ende des Jahres die letzten beiden deutschen Zechen in Ibbenbüren und Bottrop geschlossen werden, schwinden damit nicht die Sorgen vor Spätfolgen der Arbeiten unter Tage. Während der Förderung kam es gebietsweise zu gravierenden Absenkungen an der Erdoberfläche — mitunter bis zu 20 Meter. Die Folge waren teils massive Gebäudeschäden bis hin zu notwendigen Abrissen.

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Wenn jetzt das Grubenwasser nicht mehr aus den größten Tiefen abgepumpt wird, sondern kontrolliert um rund 600 Meter ansteigen soll, rechnen die Kritiker umgekehrt mit Geländehebungen um zwei bis fünf Prozent, beispielsweise durch ein Aufquellen des Untergrunds. Der LVBB fordert daher ein engmaschiges Messnetz, um solche Veränderungen zu erfassen. Derzeit werden dem Kohlekonzern RAG jährlich rund 25 500 bergbaubedingter Schadensfälle gemeldet, die reguliert werden müssen.

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Das ansteigende Grubenwasser ist den Betroffenen aber auch noch aus einem anderen Grund suspekt. Zwar versichert RAG, dass sich das Grubenwasser auch nach dem Anstieg noch weit unterhalb des Grundwassers befinden werde und sich nicht vermischen könne. Aber Wagner und Behrens halten eine Kontaminierung des Grundwassers dennoch für denkbar.

Beim Fracking (der Förderung von Öl und Gas durch ein Hochdruckverfahren) sei es entgegen der Zusicherungen auch zu Durchlässigkeiten von Erdschichten und in der Folge zu Grundwasserverunreinigungen gekommen. Der Verband fordert daher, den Grubenwasseranstieg so lange auszusetzen, bis eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung vorliegt.

Für die sogenannten Ewigkeitslasten der Steinkohleförderung muss auch in Zukunft die RAG-Stiftung aufkommen. Und auch an dieser Stelle melden Wagner und Behrens Zweifel an, ob die Rückstellungen wirklich alle Schadenersatzansprüche auf Jahre hin sichern können. Daher verlangen sie eine Prüfung der Rücklagen durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Positiv bewertet der Verband dagegen die seit 2009 etablierte Schlichtungsstelle in Essen — auch aufgrund der kooperativen Haltung der RAG. Betroffene aus NRW können sich dort kostenfrei melden, um ihre Ansprüche durchzusetzen.

Der Landesverband der Bergbaubetroffenen vertritt nach eigenen Angaben zehn Bürgerinitiativen aus dem Ruhrgebiet, Ibbenbüren, dem Münsterland und der Region Aachen. Dahinter stünden insgesamt rund 5000 Bürger, die sich gegen Bergbaufolgen wie Immobilien- oder Umweltschäden wehren. In ihrem Namen will der Verband beim Festakt versuchen, den beiden anwesenden CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet (NRW) und Tobias Hans (Saarland) eine Denkschrift zu überreichen. „Vielleicht werden wir alle mit weißen Taschentüchern zum Tränenabwischen ausgestattet“, spottet Vorstandssprecher Behrens. Aber mit dem Bergbau verbinden sich für ihn keine romantischen Vorstellungen vom Kumpel mit der Grubenlampe. Die Geschädigten jedenfalls weinen dem Bergbau keine Träne nach.

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