Ausbruch: SPD und Grüne fordern Rücktritt

NRW-Justizministerin beklagt „perfide Stimmungsmache“.

Düsseldorf. Nach dem Ausbruch zweier Gewaltverbrecher aus der Justizvollzugsanstalt Aachen haben SPD und Grüne am Freitag den Rücktritt von Landesjustizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) gefordert. Sie trage die politische Verantwortung für die Zustände in den NRW-Gefängnissen.

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) warf der Opposition am Nachmittag vor, eine Kampagne gegen die Justizministerin zu inszenieren. SPD und Grüne hätten ihre Rücktrittsforderungen schon vor der Sondersitzung des Rechtsausschusses gestellt. "Das zeigt: Es ging nicht um Sachverhaltsaufklärung, sondern darum, eine politische Kampagne zu führen."

In der Sondersitzung des Rechtsausschusses hatten SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger und Grünen-Politikerin Marion Düker der Ministerin unter anderem vorgeworfen, nicht auf einen "Brandbrief" der Aachener Justizbediensteten reagiert und Warnhinweise ignoriert zu haben. Ihre Vorwürfe begründete Düker mit einem anonymen Brief aus einer ungenannten Vollzugsanstalt sowie mit anonymen Stellungnahmen in einem Internet-Forum.

Auch Jäger, der die Sondersitzung des Ausschusses mit beantragt hatte, begründete seine Attacken gegen die Ministerin mit rechtlich fragwürdigen Hinweisen. So sagte er, die Ministerin habe verschwiegen, dass gegen den wegen mutmaßlicher Gefangenenbefreiung in U-Haft sitzenden Justizbeamten schon einmal ermittelt worden sei, als unter dessen Aufsicht ein Sexualstraftäter entkommen war.

Was Jäger verschwieg: Die Ermittlungen gegen den Beamten waren nach Paragraf 170 der Strafprozessordnung eingestellt worden - ein Freispruch erster Klasse. Die Ministerin hätte diese Ermittlungen daher gar nicht erwähnen dürfen.

Müller-Piepenkötter wies die Vorwürfe als "perfide Stimmungsmache" zurück und konterte mit Zahlen und Fakten. Ihr Haus habe auf den warnenden Brief des Personalrats schnell und umfassend reagiert. Überstunden seien ausbezahlt und abgebaut, fünf neue Bedienstete eingestellt worden. Während des Ausbruchs sei die Anstalt weder personell unterbesetzt noch mit Gefangenen überbelegt gewesen.

Die Ausbruchszahlen seien im Vergleich zu rot-grünen Regierungszeiten stark rückläufig und sogar gegen Null gesunken. In den 1990er Jahren habe es in NRW noch 20 Ausbrüche pro Jahr gegeben. "Nie war der Justizvollzug so sicher wie heute", sagte die Ministerin. Darüber hinaus hätten Krankenstand und Überstunden nichts mit dem Ausbruch zu tun: Der sei nur durch die massive Fluchthilfe eines Vollzugsbeamten möglich gewesen: "Niemand hat sich vorstellen können, dass ein Beamter nach 17 Jahren im Vollzug und bei hundertprozentigem Entdeckungsrisiko eine solche Tat begehen könnte."

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