Interview Armin Laschet: „Hannelore Kraft wird die Übergabe stilvoll machen“

Armin Laschet über die Büroübergabe durch Hannelore Kraft, die PR von Norbert Walter-Borjans und Helmut Kohls Europaherz.

Düsseldorf. Noch drei Tage bis zur Ministerpräsidentenwahl. Noch drei Tage als CDU-Fraktionsvorsitzender. Ein letzter Besuch im bisherigen Landtagsbüro von Armin Laschet — mit einem wunderbaren Blick über Düsseldorf, von wo aus er ab nächster Woche das Land regieren will.

Interview: Armin Laschet: „Hannelore Kraft wird die Übergabe stilvoll machen“
Foto: Sergej Lepke

Herr Laschet, reagieren Sie schon, wenn jemand Herr Ministerpräsident sagt?

Armin Laschet: Nein, da fühle ich mich noch nicht angesprochen.

Führt Sie Ihre Vorgängerin noch durch ihr Büro und erklärt Ihnen, wann man die Blumen gießen muss?

Laschet: Was Hannelore Kraft mir nach meiner Wahl bei der Büroübergabe am Dienstag um 18 Uhr erklärt, weiß ich heute noch nicht. Aber wie ich sie kenne, wird sie das stilvoll und freundlich machen.

Behalten Sie Ihren Twitter-Acount bei?

Laschet: Ja, aber ich bin mir darüber im Klaren, dass jetzt jedes Wort noch einmal anders gelesen wird. Und den ESC oder den Tatort werde ich erst mal nicht mehr kommentieren (schmunzelt).

Woran werden wir noch vor der Bundestagswahl erkennen, dass Nordrhein-Westfalen jetzt von Ihnen regiert wird?

Laschet: Dass wir bei den zentralen Themen Schule, Arbeit und Sicherheit vorwärtskommen. Wir werden alles unternehmen, um so viele Förderschulen wie möglich zu erhalten und sie dauerhaft zu sichern. Die Diskussion um G8 und G9 wird sich beruhigen, weil wir unsere klare Leitentscheidung entschlossen vorbereiten werden. Wir werden ein Entfesselungsgesetz auf den Weg bringen, in dem wir unter anderem die unnötige Hygieneampel abschaffen. Das entlastet unsere Bäcker, Metzger und Gastronomen. Und wir werden unserer Polizei den Rücken stärken, indem wir die Kennzeichnungspflicht zurücknehmen und die Einführung der Verwaltungsfachkräfte vorbereiten, damit mehr Polizei auf die Straße kommt.

Ist vorstellbar, dass 2019 bei der Umstellung auf G9 noch andere Jahrgänge einbezogen werden als die dann neuen fünften Klassen?

Laschet: Der künftige Schulminister muss sehen, was fachlich, organisatorisch und pädagogisch möglich ist. Das würde ja die heutigen Viert- und Fünftklässler betreffen. Unser Anspruch ist: Dieser Wechsel muss optimal vorbereitet sein und gelingen. Unsere Schulen sollen sich auf den Unterricht konzentrieren können.

Haben Sie sich für die ersten hundert Tage ein Spezialprogramm vorgenommen?

Laschet: In unserem Sofortprogramm haben wir vor der Wahl gesagt, was wir als Erstes angehen. Unser Ziel ist es, nach der Wahl des Ministerpräsidenten und der Regierungsbildung schon die Plenarwoche im Juli für den Aufbruch zu nutzen. Durch die schnelle Regierungsbildung versetzen wir auch das Parlament in die Lage, schon vor der Sommerpause die Ausschüsse zu bilden und damit voll arbeitsfähig zu sein. Die Regierungserklärung folgt erst nach den Ferien.

Bisher halten alle Minister dicht. Liegt das daran, dass sie noch gar nicht wissen, dass sie es werden?

Laschet: So ist es (lacht). Ich halte es prinzipiell für richtig, erst den Ministerpräsidenten zu wählen und danach die Regierung bekanntzugeben.

Wird es auch Minister von außen geben?

Laschet: Abwarten. Mir geht es darum, die besten Köpfe zusammenzuholen, damit dieses Land vorankommt. Es wird sicher eine Mischung sein aus denen, die hier seit Jahren die Arbeit tragen und eine wichtige Rolle in der Partei spielen, aber es könnte auch manche Überraschung für Sie dabei sein.

Will die neue Landesregierung die Steuerfahndungspolitik von Rot-Grün einschließlich des Ankaufs von CDs fortsetzen?

Laschet: Auch wenn die Arbeit des früheren Regierungssprechers von Johannes Rau und heutigen Finanzministers Norbert Walter-Borjans bis in die letzten Stunden aus PR besteht: Die erste CD hat der frühere CDU-Finanzminister Helmut Linssen angekauft. Sein Nachfolger hat dieses eine Thema dann recht effektiv als zentrales Thema seiner Amtszeit stilisiert. Aber es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass nicht auch die neue Landesregierung Steuerkriminalität entschieden bekämpft.

Herr Walter-Borjans sieht das anders.

Laschet: Er tut so, als würde der Rechtsstaat ausgesetzt, weil er das Amt abgibt. Was ist das für eine Hybris? Natürlich wird der neue Finanzminister in gleicher Intensität Steuerbetrug bekämpfen. Und natürlich muss Herr Walter-Borjans seine Ermittlungsergebnisse an den Nachfolger übergeben. Das sind nicht seine Privaterkenntnisse.

Ist Norbert Walter-Borjans der amtierende Minister, der Sie am meisten ärgert?

Laschet: Als Freund des Kölner Karnevals schätze ich seine kabarettistischen Züge. Im Dezember erklärt er verbindlich im Landtag, die Netto-Neuverschuldung für dieses Jahr müsse 1,6 Milliarden Euro betragen, aber jetzt sagt er, es lägen blühende Zeiten vor uns, weil er ein paar Milliarden gefunden habe. Alaaf!

Was ist denn die schlimmste Finanzleiche, die Sie beim Kassensturz gefunden haben?

Laschet: Der echte Kassensturz kann erst erfolgen, wenn wir alle Einblicke haben. Aber jeder weiß, dass die Kita-Finanzierung kurz vor dem Zusammenbruch steht. Zudem ist der Pensionsfonds nicht in dem Maße aufgefüllt worden, wie das mal zwischen allen Fraktionen verabredet war. Und zum Dritten kommen die ganzen Folgen der WestLB-Abwicklung in den nächsten fünf Jahren zum Tragen. Vorsorge in der Finanzplanung dazu: Fehlanzeige.

Wie zuversichtlich sind Sie dann, dass Ihnen die Finanzierung der vielen Zusagen im Koalitionsvertrag gelingt?

Laschet: Sehr. Weil alle Ziele, die dort für die nächsten fünf Jahre beschrieben sind, auch durchgerechnet wurden — unter der Maßgabe, ab 2020 auch die Schuldenbremse einzuhalten.

Aber es gibt keine Angaben, wo andererseits gespart werden soll.

Laschet: Ich kenne keinen Koalitionsvertrag, der einen Haushaltsplan enthält.

Warum sind die Koalitionsgespräche so ausgesprochen freundlich verlaufen?

Laschet: Wenn Sie die Wahlprogramme von CDU und FDP nebeneinanderlegen, merken Sie, dass es bei allen zentralen Fragen große Übereinstimmungen von 70 bis 80 Prozent gibt.

Das hat Herr Lindner offenbar am Anfang nicht gemerkt.

Laschet: Aber Sie haben mich gefragt — und ich habe es gemerkt. Die FDP unterstreicht, dass sie eine eigenständige Partei ist, die nicht immer automatisch mit der CDU koalieren muss. Unsere beiden Parteien haben bei der Wahl Stimmen hinzugewonnen, was eine Besonderheit ist.

Sind Sie zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis?

Laschet: Ja. Das ist ein wirklich guter Koalitionsvertrag. Ich kann den Delegierten beim Parteitag am Wochenende sagen: Wir haben hart für einen Politikwechsel gekämpft und der kommt jetzt auch.

Die gesamte Landtagsfraktion der CDU setzt sich aus direkt gewählten Kandidaten zusammen. Viele Fachpolitiker sind dabei auf der Strecke geblieben. Fehlt Ihnen dieser Sachverstand jetzt?

Laschet: Aber dafür sind viele Kollegen von früher zurückgekehrt. Jörg Geerlings aus Neuss oder Bodo Löttgen zum Beispiel. Traurig ist, dass wegen des guten Abschneidens das Ruhrgebiet bei uns schwächer vertreten ist. Aber ich werde dafür sorgen, dass das Ruhrgebiet an anderer Stelle beteiligt wird. Das wird sich auch in Personen wiederfinden.

Welche Rolle spielt die AfD für eine Koalition, die nur eine Stimme Mehrheit hat?

Laschet: Ich prophezeie Ihnen, der Ansporn und die Präsenz von Abgeordneten einer Fraktion, die nur eine knappe Mehrheit hat, sind die größten, die man sich vorstellen kann. Grünen und SPD, aber auch die AfD sind Opposition. Sie spielen für die Stabilität der Regierung keine Rolle.

Was sagen Sie dazu, dass die FDP Gerhart Baum in die Bosbach-Kommission zur Inneren Sicherheit schickt?

Laschet: Die Bedrohung durch den dschihadistischen Terrorismus ist erst am Beginn und nicht am Ende. Die Gefahr wird zunehmen, wenn der IS in Syrien und im Irak besiegt ist und die Kämpfer zurückkehren. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Dazu erhoffe ich mir Impulse vom international renommierten Terrorismusexperten Peter R. Neumann. Wolfgang Bosbach kennt seit Jahren die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Und Gerhart Baum passt gut dazu, weil er Innenminister in Zeiten des Terrorismus in den 70er Jahren gewesen ist und gleichzeitig ein großer Kämpfer für Bürger- und Freiheitsrechte.

Wie wird die neue Landesregierung mit der Ditib umgehen?

Laschet: Wir haben in Deutschland eine organisatorische Staatsferne der Kirchen. Und für eine neue Religionsgemeinschaft, die als Körperschaft anerkannt werden will, kann man nicht akzeptieren, dass der deutsche Staat fern ist, aber ein fremder Staat Einfluss hat. Deshalb wird es für die Ditib notwendige Bedingung sein, dass sie sich aus der deutschen Gesellschaft heraus organisiert und die Beziehungen zum türkischen Staat verändert.

Wann gibt es für Sie eigentlich mal eine Verschnaufpause?

Laschet: In den Ferien fahren wir wie jedes Jahr an den Bodensee. Das ist dann auch nötig.

Wie erleben Sie die Diskussion um den Staatsakt für Helmut Kohl?

Laschet: Einen europäischen Staatsakt für einen Bundeskanzler zu machen, der sich wie kein anderer um Europa verdient gemacht hat, ist eine der großartigsten Ideen, die ich in den letzten Jahren gehört habe. 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und 100 Jahre nach der Schlacht von Verdun wird ein deutscher Bundeskanzler in der über Jahrhunderte umkämpften Stadt Straßburg seinen großen Ehrenakt erfahren. Das wird auch noch rückwirkend als besonderes Ereignis wahrgenommen werden. Und es schweißt die Europäer noch einmal zusammen. Die Berliner Wahrnehmung, dass ein Staatsakt nur ein Staatsakt ist, wenn er Unter den Linden mit Zug durch das Brandenburger Tor stattfindet, ist überholt. Das Herz von Helmut Kohl gehörte der Bonner Republik und der Verbindung zu Frankreich. Helmut Kohls Wurzeln liegen am Rhein und dort wird er geehrt.

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