An einen Rücktritt denkt Jäger nicht

Bei der Debatte zu der Silvesternacht in Köln gab es heftige Angriffe auf den Minister. Polemik und nachdenkliche Worte im Landtag.

An einen Rücktritt denkt Jäger nicht
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Düsseldorf. Als die Opposition im Landtag am Donnerstag den Rücktritt des Innenministers Ralf Jäger (SPD) nach den Silvesterübergriffen von Köln forderte, da taten es ihre Protagonisten mit den unterschiedlichsten Formulierungskünsten.

Armin Laschet (CDU) bezeichnete Jäger als „Situationsethiker“, weil dieser für die Übernahme von Verantwortung verschiedene Maßstäbe für sich und andere anlege. Als für die Polizei zuständiger Ressortchef habe er die Verantwortung nach unten weggedrückt. Sowohl das Vertrauen der Polizei als auch das „der Menschen im Land“ sei erschüttert. An Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gewandt: „Glauben Sie, dass Sie mit diesem Minister nach fünf so ernüchternden Jahren den Neuanfang ausstrahlen können, den es in der Landesregierung jetzt braucht? Haben Sie den Mut für einen Kurswechsel und einen echten Neuanfang!“

FDP-Fraktionschef Christian Lindner warf Jäger vor, dass er seine Polizei für deren Fehlverhalten anklage, um seine eigene Haut zu retten. Politisch sei es ihm, Lindner, durchaus Recht, wenn die Ministerpräsidentin weiter mit einem „Klotz am Bein“ regieren wolle. Dennoch forderte er Jäger auf: „Wenn Sie Charakter haben, dann stellen Sie sich jetzt Ihrer Verantwortung für die Wiederherstellung des Vertrauens in den Rechtsstaat.“

Am deutlichsten wurde Piraten-Fraktionschef Michelle Marsching, der nicht nur Jäger direkt zum Rücktritt aufforderte, sondern dessen Regierungschefin in diesem Bild aus der Sprache des Schachspiels ansprach: „Frau Ministerpräsidentin, wenn Herr Jäger nicht freiwillig geht: Die Bauern sind schon alle geopfert. Bevor die Königin fällt, sollte sie ihren Springer vom Brett nehmen.“

Der Springer aber will weiter auf dem Brett bleiben, daran ließ er keinen Zweifel. Er warf der Opposition vor, ein Zerrbild von der Sicherheitslage im Land zu zeichnen. Womit er bei dieser für viel Wutgeschrei sorgte. Er selbst blieb ruhig, als er den Vorwürfen entgegensetzte, dass es zwei Möglichkeiten gebe, mit den gemachten polizeilichen Fehlern umzugehen: „Die Fehler zu benennen oder zu vertuschen.“ Für Letzteres stehe er nicht zur Verfügung. Es sei das gute Recht der Opposition, Fehler zu benennen und auch zu personalisieren. Doch auch die Opposition stehe in der Pflicht, die jetzt bestehenden Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und nicht zu verstärken.

Jäger lieferte dann auch die von der Opposition seit Tagen geforderte Entschuldigung. „Was den Frauen in Köln in der Silvesternacht widerfahren ist, das tut mir aufrichtig leid, das tut mir unendlich leid.“ Auch er sei Vater einer Tochter und Ehemann. „Wenn ich mir vorstelle, dass diese solchen Übergriffen ausgesetzt wären, dann würde mich kalte Wut packen.“ Seine Aufgabe bestehe darin, als Innenminister alles in seiner Macht Stehende zu tun, dass sich solche Taten nicht wiederholen. Und: „Ich möchte mich für die Fehler, die die Polizei am Silvesterabend gemacht hat, bei den Opfern entschuldigen.“

Von den vielfach polemischen Beiträgen in einer aufgeheizten Debatte hob sich der des Grünen-Fraktionschefs Mehrdad Mostofizadeh deutlich ab. Nachdenklich wies er auf weitere Folgerungen der Silvesterereignisse hin, die ja nun auch schon seit Tagen zu spüren sind: „Meinen Kindern sieht man ihre Herkunft aus einer Migrantenfamilie an.“ Er habe sich gefragt: „Kann es sein, dass man auch meine Kinder, die persische Wurzeln haben, einer Gruppe zuschlägt, die pauschal aggressiver, gewaltbereiter und krimineller sein soll als Menschen ohne Migrationshintergrund?“ Er habe auch an die vielen Familien gedacht, die vielleicht vor ähnlichen Fragen stehen. Und an die vielen Flüchtlinge, „die zu uns gekommen sind, aus Situationen extremer Gewalt. Menschen, die glaubten, hier endlich sicher zu sein — und die nun wieder Angst haben.“

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