Alarmierende Zustände 95 Prozent der NRW-Kitas haben zu wenig Personal

Düsseldorf · Die Zustände in Kitas in Nordrhein-Westfalen sind laut Bildungsverband „alarmierend“. In vielen Einrichtungen herrscht bis zu 60 Prozent der Öffnungszeiten Personalmangel.

 In den Kitas in NRW gibt es viel zu wenig Personal.

In den Kitas in NRW gibt es viel zu wenig Personal.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Mehr als 95 Prozent der Kitas in Nordrhein-Westfalen haben innerhalb des vergangenen Jahres mit zu wenig Personal gearbeitet. Das ist Ergebnis der aktuellen „DKLK-Studie“ im Auftrag des Deutschen Kitaleitungskongresses, die am Mittwoch in Düsseldorf vorgestellt wurde. In fast 20 Prozent der NRW-Einrichtungen herrscht demnach sogar in 40 bis 60 Prozent ihrer Öffnungszeit einen Personalmangel - im Bundesschnitt sind es knapp zwölf Prozent.

Die repräsentative Befragung von 2600 Kitaleitungen hat für ganz Deutschland einen enormen Fachkräftemangel und eine große Unzufriedenheit der pädagogischen Führungskräfte mit der Wertschätzung ihrer Arbeit durch Politik und Gesellschaft ergeben. In NRW ist die Lage laut Verband Bildung und Erziehung (VBE) aber besonders „alarmierend“. Der Anteil der Kitas mit Personalmangel liegt mehr als fünf Prozentpunkte über dem Bundesschnitt.

Auch beim Betreuungsschlüssel sind die Probleme im bevölkerungsreichsten Bundesland drastischer: So wird für Kinder unter drei Jahren von Experten eine Fachkraft-Kind-Relation von 1:3 empfohlen. NRW erreicht aber überhaupt nur zu rund 30 Prozent eine Relation von 1:3 bis 1:5 - im Bundesschnitt sind es über 40 Prozent. Beim Gros der kleinen Kinder in NRW (42 Prozent) kommt eine Fachkraft auf fünf bis acht Kinder (Bund: 35,7 Prozent), bei knapp 20 Prozent der Kitas sind es sogar acht bis zwölf unter Dreijährige, die ein Pädagoge betreut (Bund: 14,8 Prozent).

„Tatsächlich ist die Relation in 98 Prozent der Fälle schlechter, als es Experten empfehlen“, verdeutlicht Stefan Behlau, VBE-Landesvorsitzender. Urlaub, Krankheit oder Fortbildung müssten in die Stellenplanung stärker einbezogen werden. Das Problem: „Der Markt ist bereits leergefegt.“ Es gebe schlichtweg nicht genügend Fachkräfte. Und auch dabei ist NRW laut Studie stärker betroffen als der Bundesschnitt: In mehr als 18 Prozent der Fälle dauere es länger als sechs Monate, eine offene Stelle zu besetzen - im gesamtdeutschen Schnitt sind es zwölf Prozent.

„Die Gesellschaft sollte sich fragen, ob Kita ein Ort für frühkindliche Bildung sein soll - was wir ausdrücklich fordern - oder ein Verwahrungsraum“, machte Behlau deutlich. Es wundere ihn nicht, dass fast 80 Prozent der Einrichtungsleitungen mit der Kitapolitik in NRW unzufrieden seien. Dort werde jetzt über eine zunehmende Flexibilisierung der Öffnungszeiten diskutiert - doch ohne ein deutliches Personalplus sei das nicht machbar, wenn die Qualität der pädagogischen Arbeit stimmen soll. Auch das Gute-Kita-Gesetz und die einhergehende Milliarden-Finanzspritze vom Bund fördere diese nicht, wenn sie allein für eine Beitragssenkung ausgegeben werde, so der VBE.

DKLK, VBE und die Macher der Studie fordern, den Beruf des Erziehers und auch der Kitaleitung deutlich attraktiver zu machen. Dazu sei auch eine Gehaltsanpassung notwendig - eine pädagogische Fachkraft steige derzeit mit einem Bruttogehalt von 2800 Euro ein, eine Kitaleitung in einer sechsgruppigen Einrichtung mit rund 30 Mitarbeitern mit 3450 Euro monatlich. Auch eine Vergütung der Ausbildung sei zwingend erforderlich. Die zumindest hat nach eigener Ankündigung Familienminister Joachim Stamp (FDP) bei der anstehenden Reform des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) im Auge. Auf dessen Umsetzung, so VBE-Chef Behlau, sei man in NRW sehr gespannt. Denn es sei zwar richtig, sich am Bedarf einer flexibleren Lebenswirklichkeit der Eltern zu orientieren, „aber das darf nicht auf dem Rücken der Kinder und der Fachkrfte geschehen“.

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