Kommunalpolitik : 2,5 %-Hürde bei Kommunalwahlen ist verfassungswidrig
Düsseldorf/Münster. Bei den kleinen Parteien in Nordrhein-Westfalen knallen nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts die Sektkorken: „Wir haben mit diesem Ergebnis gerechnet, trotzdem sind wir sehr erleichtert“, sagte der Münsteraner Ratsherr Franz Pohlmann von der ÖDP nach der Entscheidungsverkündung am Dienstag.
Die ÖDP hatte bei der letzen Wahl in Münster 1,2 Prozent der Stimmen. Wäre die Sperrklausel rechtlich in Ordnung gewesen, wäre er bei der nächsten Kommunalwahl 2020 womöglich nicht erneut in den Rat der Stadt gekommen. Doch das Verfassungsgerichtshof gab der ÖDP und den anderen Antragstellern Recht: Die 2016 vom Landtag beschlossene 2,5-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl von Gemeinderäten und Kreistagen ist verfassungswidrig.
Sie verletze bei der Wahl von Gemeinderäten und Kreistagen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, sagte die Vorsitzende Richterin Ricarda Brandts am Dienstag. Danach müsse jede Wählerstimme den gleichen Erfolgswert haben - also gleich viel Wert sein. Eine Ungleichbehandlung der Stimmen könne nur dann vereinbar mit der Verfassung sein, wenn es dafür einen zwingenden Grund gäbe - etwa eine Störung der Funktionsfähigkeit der Volksvertretungen. Die Vertreter des Landtags hätten aber keinerlei empirischen Beweise dafür gebracht, dass Gemeinderäte und Kreise in NRW wegen vieler kleiner Parteien in den Gremien nicht mehr funktionsfähig sind. „Eine bloße Erschwerung der Meinungsbildung durch das vermehrte Aufkommen kleiner Parteien und Wählervereinigungen ist nicht ausreichend“, sagte Brandts.
Es ist eine Niederlage für den Landtag - und schon zum zweiten Mal. Der Landtag hatte die 2,5 Prozent-Sperrklausel 2016 bei Kommunalwahlen mit großer Mehrheit beschlossen und sie sogar in der Landesverfassung verankert. Sie war nach Ansicht von SPD, CDU und Grünen nötig geworden, um die Kommunalvertretungen vor zu vielen Splitterfraktionen zu schützen und arbeitsfähig zu halten. Bis 1999 hatte es in NRW schon einmal eine Sperrklausel bei Kommunalwahlen gegeben - damals sogar in Höhe von 5 Prozent. Anders als dieses Mal handelte es sich damals aber um ein einfaches Gesetz und keines von Verfassungsrang. Das Gericht hatte aber auch die damalige Klausel gekippt. Damals war das Kernargument, der Gesetzgeber habe die Erforderlichkeit nicht hinreichend begründet.
Nur in einer Hinsicht hatte das Gesetz vor dem Verfassungsgericht am Dienstag Bestand: Bei der Wahl der Bezirksvertretungen und der Regionalversammlung Ruhr seien die verfassungsrechtlichen Anforderungen weniger streng als bei Kreistagen und Gemeinderäten, so das Gericht. Die Bezirksvertretungen sind politische Gremien, welche Stadtteile oder Stadtbezirke verwalten. Die 2,5 Prozent-Klausel gelte für sie weiterhin, so das Gericht.
„Ich bedauere, aber akzeptiere natürlich die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofes“, teilte Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) nach der Entscheidung mit. Nun müsse die schriftliche Begründung des Urteils abgewartet werden, ehe Konsequenzen gezogen werden könnten.