Neuer CDU-Chef Armin Laschets Griff zur Macht - Warum er die besten Karten hat

Düsseldorf · NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat beste Voraussetzungen, die Macht in der CDU zu gewinnen und danach Kanzlerkandidat zu werden. Seine Gegner: Friedrich Merz – und das brodelnde NRW.

 NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nach der Pressekonferenz in Berlin. Im Hintergrund rechts sein Chefberater Nathanael Liminski.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nach der Pressekonferenz in Berlin. Im Hintergrund rechts sein Chefberater Nathanael Liminski.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Das Programm eines Ministerpräsidenten, der den CDU-Bundesvorsitz will, ist kraftraubend. Am Montagabend ist Armin Laschet als NRW-Medienminister im Kreise von Produzenten und Schauspielern unterwegs am Rande der Berlinale. Da weiß er schon, dass er am Dienstagmorgen in der Bundespressekonferenz einen kleinen Coup landen wird, wenn er sich im Gespann mit Jens Spahn vor Friedrich Merz drängelt. 9.30 Uhr: Antritt zur Zukunft. Um 11 Uhr, wenn Merz kommt, ist die vielleicht schon vorbei.

Das scheint ihm ein Volltreffer, zumal er einige Male mit Merz gesprochen, den Sauerländer aber nie für eine Teamlösung eingefangen hat. Sogar einen Ministerposten, heißt es, auf Angebot der stets integrationswilligen Noch-CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, habe Merz abgelehnt. Er geht jetzt in die Vollen. Für Laschet folgt im ZDF-Studio in Berlin die Aufzeichnung der Sendung „Was nun, Herr Laschet?“, dann fliegt er zurück nach Düsseldorf, fährt nach Aachen-Burtscheid, und wird von dort am Abend in die ARD-Tagesthemen geschaltet. Tag vorbei. Ab jetzt ist nochmal alles anders im Leben von Armin Laschet, 59, seit 2017 NRW-Ministerpräsident. Jetzt will er CDU-Chef werden. Und dann: Kanzler.

Er hat Spahn für eine notwendige Teamlösung gewonnen

Noch im Bundesvorstand am Vortag hatte er für eine Teamlösung geworben. Sein Risiko als Ministerpräsident in NRW ist gewaltig, aber an einer Kandidatur kam er nun auch nicht mehr vorbei, seit er seiner Amtsvorgängerin Hannelore Kraft (SPD) ob ihrer regionalen Bescheidenheit „Selbstverzwergung“ vorgeworfen hatte und sich seither in Berlin durch enge Gassen schlängelte. Er hat das Beste daraus gemacht: die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns mit Jens Spahn minimiert. Ihn hat er gewonnen. Der Westfale aus Ahaus, der 2018 noch CDU-Vorsitzender werden wollte, hat erkannt, dass seine Partei mehrheitlich noch nicht Revolution, sondern Selbstvergewisserung im Team will. Der amtierende Gesundheitsminister ist schlau genug, sich in diesem Tandem alle Optionen offen zu halten: Er wird Gewicht haben. Und er wird irgendwann nachfolgen können. Er ist 39. Und wandelfähig. „Mini-Merz“, sagen die einen. Viel mehr als das, die anderen.

Laschets Gegner ist jetzt: Friedrich Merz. Nicht Norbert Röttgen. Der Bonner hat zwar vor Tagen einen guten Presse-Aufschlag genossen, aber keine ausreichende Bindung in die Partei mehr, die mit 1001 Delegierten am 25. April in Berlin den nächsten Vorsitzenden wählen soll. So früh Röttgen aus der Deckung kam, so sehr scheint er jetzt hinweg gespült zu werden. Während Laschet spricht in Berlin, twittert Röttgen, seine zweite Vorsitzende werde eine Frau. Es wirkt verzweifelt. Dann bekommt er von Laschet noch eine mit: 2010 hatte Röttgen bei der Wahl des Landesparteichefs in NRW noch mit 54,8 zu 45,2 Prozent gegen Laschet gewonnen. Doch nach der Wahl 2012 fiel er so tief, dass er Laschet beim Aufsteigen fast aus den Augen verlor. Über Röttgen, sagt Laschet, wolle er nun nicht reden. Nur so viel: „Wir brauchen jetzt nicht theoretisch-analytische Betrachtungen der Weltlage, sondern konkretes Regierungshandeln.“ Und als er noch nachlegen will, blickt er zu seinem Taktgeber, Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski, und zu seinem Regierungssprecher Christian Wiermer, die von ihm aus rechts vorn sitzen – und lässt es bleiben.

Laschets Schachzug mit Spahn erhält viel Anerkennung. Merz nennt es halb spaßig, halb genervt eine „Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs“. Lange konnten Laschet und Spahn nicht miteinander, aber in der Politik braucht es für Bündnisse keine Freundschaften. Zweck hilft. Das hat Laschet gelernt. Wenn Merz eine Stunde später darüber spricht, es stünden sich jetzt klare Richtungen gegenüber – Kontinuität oder Aufbruch, sagt er, liberal oder konservativ, denkt man –, kann Laschet mit eigener Geschichte gegenhalten: Dass er als zu liberal gilt, hat ihn schon in Nordrhein-Westfalen 2017 im Wahlkampf nicht aufhalten können, als die regierende SPD im Lichte des drohenden islamistischen Terrors von den CDU-Konservativen vor sich hergetrieben wurde. Und fraglich schien, ob Laschet das als Ministerpräsident unnachgiebiger handhaben würde: Laschet schloss die offene Flanke als Orchestermeister mit lauter Trommlern: Herbert Reul wurde durchgreifender Innenminister, Wolfgang Bosbach dessen flankierender Kommissionsbeauftragter für Innere Sicherheit. Er brachte schon damals Spahn hinter sich, verschaffte Serap Güler einen Posten als Integrationsbeauftragte und machte Hendrik Wüst als Chef der konservativen NRW-Mittelstandsvereinigung zum Verkehrsminister. So wurde er CDU-Ministerpräsident in NRW. Vereinen. „Zusammen“ – das ist sein Wort an diesem Morgen. So hat er den größten Landesverband NRW hinter sich gebracht, zumal mit Spahn an seiner Seite. Unvergessen, als Laschet in der Wahlnacht 2017 auf dem Hinterhof der CDU-Geschäftsstelle an der Wasserstraße in Düsseldorf beim Zigarillo sein Bündnis mit seinem ehemaligen Kontrahenten Karl-Josef Laumann bejubelte, der dann sein Arbeitsminister wurde.

Der Viersener CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer ist am Dienstagvormittag begeistert vom Gespann: „Das zeigt Teamgeist statt Nabelschau. Sie wollen und können Strömungen zusammenführen statt zu polarisieren. Liberale, Christlich-Soziale und Konservative, Generationen, Stadt und Land in einer Union, die das gemeinsame Gelingen will“, sagt Schummer. Laschet trickse nicht gegen die Kanzlerin, sei anschlussfähig für FDP und Grüne. Schummer: „Ihre Chancen sind sehr gut. Das Gespann entspricht der Stimmung in der Basis der Union nach Teamgeist und Orientierung zur Mitte.“

Der amtierende Parteiapparat wird Laschet in den acht Wochen bis zur Wahl pushen. Seine Bauministerin Ina Scharrenbach sagt: „In politisch stürmischen Zeiten ist ein Parteivorsitzender mit Erfahrung und Integrationskraft erforderlich.“ Reul erklärt in seiner ihm typischen Diktion: „Wer soll es denn sonst werden?“ Und erinnert an eine zerstrittene NRW-CDU von einst, in der er als Generalsekretär gelitten habe. Der Verlust Laschets in NRW wäre schade, aber: „Für die Bundespartei ist es eine Riesenchance.“ Laschet findet, einen Konkurenzkampf müsse es jetzt gar nicht geben: „Unser Angebot hat die Offenheit, dass sich alle darin wiederfinden können.“

Nur Kiesinger und Schröder
gelang der direkte Sprung

Merz kämpft gegen so viel Gefühlsduselei, die die andere Hälfte der Union zermürbt, an. Wie eine Dampfwalze kommt er über die Journalisten in Berlin, er spiele auf „Sieg, nicht auf Platz“. Er findet, seine Chancen hätten sich deutlich erhöht gegenüber 2018, als eine vermaledeite Parteitagsrede seine Karriere verhindert habe. Wo Laschet gelöst wirkt, weil sich das Ringen um seine Zukunft in eine klare Vorstellung gegossen hat, wirkt Merz ernst. Er kenne die Parlamentarier jetzt besser als seinerzeit, als er 48 Prozent aus dem Stand geholt habe. Merz glaubt an seinen Solo-Sieg. Mit einer „Frau als Generalsekretärin“. Das letzte Mal sollte es noch ein „Ostdeutscher“ werden.

Inhalte? Laschet spricht über moderne Industriepolitik, über europäisches Wettbewerbsrecht, Infrastruktur, Energiewende und schnellere „Planungs und Genehmigungsverfahren“. Stichwort Entfesselung. Und über Europa, sein Leib- und Magenthema, als Aachener zumal. Merz will Erneuerung auf allen Ebenen, eine grundlegend neue innere Struktur der CDU, modernisiert, digitaler, kerniger auch. Er ist beseelt von seiner Chance, er will jetzt klare Kante. Nicht zu viele Details, Hauptsache es rummst gewaltig.

Aber er ist nicht der einzige Gegner Laschets. In Düsseldorf formiert sich schon am Dienstag die Nachfolge-Diskussion, auch wenn Laschet im Amt zu bleiben gedenkt. Nur wenn er Kanzlerkandidat würde, stünde das wohl zur Debatte. SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sieht in Düsseldorf trotzdem nur noch einen „Teilzeit-Ministerpräsident auf Abruf“, sein Landeschef Sebastian Hartmann „eine knallharte Absage an sein Heimatland Nordrhein-Westfalen“. Ob er überhaupt Kanzler werden will? Diese Bereitschaft hat Laschet ungesagt einige Male an diesem Morgen in Berlin angedeutet. Wer CDU-Vorsitzender werden will, muss auch Kanzler werden wollen. Er plane „wie jeder Kanzlerkandidat, der sich als Ministerpräsident beworben habe“, mit guter Regierungsarbeit zu überzeugen. Eine verräterische Absicht. Und er weiß wie seine Gegner: Allein Kurt Georg Kiesinger (CDU) 1966 aus Baden-Württemberg und Gerhard Schröder 1998 aus Niedersachsen gelang der direkte Sprung vom Stuhl des Landeschefs auf den des Bundeskanzlers.

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