Kriegsgedenken: Putins zaghafte Versöhnung

Der Ministerpräsident Russlands verfolgt in Polen wirtschaftliche Interessen.

Danzig/Moskau. Es gab zwar keine Entschuldigung für den Einmarsch sowjetischer Truppen in Polen vor 70 Jahren, dennoch schlug der russische Regierungschef Wladimir Putin überraschend versöhnliche Töne an.

Bei den Gedenkfeiern zum Jahrestag des Kriegsbeginns appellierte der Ex-Kremlchef am Dienstag an die Polen, die Geschichte nicht zu politisieren, sondern nach vorn zu schauen.

Schon im Vorfeld hatten auch Warschauer Medien die erste Polen-Reise Putins seit 2005 als "versöhnliche Geste" kommentiert. Doch klar wurde bei Putins Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk auch, dass Moskau vor allem knallharte Wirtschaftsinteressen verfolgt.

Putin selbst wies darauf hin, dass Russland für Polen heute nach Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner sei. Der Russe lobte Tusk ausdrücklich für seine erfolgreiche Wirtschaftspolitik in Zeiten der Finanzkrise.

Der Geschichtsstreit - zum Beispiel um den Massenmord an polnischen Offizieren durch die Sowjetarmee in Katyn - müsse jedoch den Historikern überlassen bleiben.

So viel Freundlichkeit hatten selbst russische Kommentatoren von dem für seine Derbheit bekannten Putin nicht erwartet. Putin hatte schon in einer polnischen Zeitung den Hitler-Stalin-Pakt als "unmoralisch" verurteilt. Historiker sahen darin eine Annäherung an den "Geist der westlichen Geschichtsforschung".

Bei einem Spaziergang tauschten sich Putin und Tusk lange aus. Sie lobten anschließend, dass die Beziehungen so gut seien wie lange nicht. In seiner Heimatstadt Sopot nahe Danzig war Tusk bemüht, dem mächtigen Mann aus Moskau die Hand zu reichen.

Dass beide vor allem wirtschaftliche Interessen haben, zeigte auch Tusks Reise nach Moskau im Februar 2008. Gestern nun vereinbarten Regierungsvertreter beider Seiten eine Kooperation im Atombereich und im Schiffsverkehr auf der Ostsee. Auch ein Gasabkommen ist in Arbeit.

Aus russischer Sicht ist die Eiszeit zwischen Russland und Polen seit Tusks Machtantritt 2007 in eine Tauwetterperiode übergegangen. Ende 2004 hatte Polens damaliger Präsident Kwasniewski sich mit den prowestlichen Kräften in der Ukraine solidarisiert und Putins Zorn auf sich gezogen, weil er für eine Loslösung Kiews von Moskau plädiert hatte.

Danach verhängte Russland ein Einfuhrverbot für polnisches Fleisch. Anschließend verhinderte Polen mit einem Veto die Verhandlungen über ein neues EU-Partnerschaftsabkommen mit Russland. Zusätzlich verschärfte bis in die jüngste Zeit der Streit um die US-Raketenabwehrpläne in Polen die Beziehungen.

Eine Breitseite erlaubte sich der russische Gast allerdings doch noch angesichts der von vielen Polen vertretenen Auffassung, die Sowjetunion trage Mitschuld am Ausbruch des Weltkriegs. Damals hätten alle Seiten eine "große Menge Fehler" begangen, betonte Putin. So habe Polen nach dem "Münchner Abkommen" von 1938 selbst zwei Gebiete der damaligen Tschechoslowakei besetzt.

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