Interview Klingbeil über Lindner: „Arroganter geht es nicht“

Düsseldorf · Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD, über den FDP-Chef, Klima-Demos, besseren Schutz für ausgebeutete Paketzusteller und die Grundrente.

 SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil beim Redaktionsbesuch während seines NRW-Besuchs.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil beim Redaktionsbesuch während seines NRW-Besuchs.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Herr Klingbeil, in ganz Deutschland sind an diesem Freitag Schüler auf die Straße gegangen für den Klimaschutz. Was sagen Sie dazu?

Lars Klingbeil: Super. Wir haben selbst mal drei Tage mit einem Bildungsstreik die Schule lahmgelegt, als ich noch Schüler war. Mein Motto damals: „Schüler immer blöder dank Gerhard Schröder“. Später habe ich vier Jahre in seinem Abgeordnetenbüro gearbeitet – und ihm erzählt, dass ich durch ihn zur Politik gekommen bin.

Glauben Sie, die Jugend wird wieder politischer?

Klingbeil: Ich hoffe das. Junge Menschen mischen sich ja gerade immer mehr ein, nicht nur bei „Fridays for Future“, sondern zum Beispiel auch beim Thema Uploadfilter. Natürlich sind sie manchmal sehr hart in ihrem Urteil – aber das ist erlaubt, wenn man jung ist.

Christian Lindner sieht das anders, er findet, Klimaschutz ist etwas für Profis ...

Klingbeil: Arroganter geht es nicht. Wir können über jeden froh sein, der sich politisch einbringt.

Ein politisches Thema, das Sie zurzeit umtreibt, ist der Schutz von Paketboten vor Ausbeutung. Wieso?

Klingbeil: : Es gibt in der Branche ein rasantes Wachstum, vor allem durch den Online-Handel. Das ist erstmal positiv. Aber der Wettbewerb wird gerade auf dem Rücken der Zusteller ausgetragen. Der Zoll hat jüngst 12 000 Zusteller kontrolliert. Bei über 2000 wurden Unstimmigkeiten bei der Lohnzahlung festgestellt. Immer häufiger wird auch Schwarzarbeit aufgedeckt. Wir wollen deshalb, dass die Konzerne für die Subunternehmen, die sie mit der Zustellung beauftragen, die Verantwortung übernehmen müssen – durch die so genannte Nachunternehmerhaftung. Und wir schaffen zusätzliche Stellen beim Zoll für mehr Kontrolle.

Wer sind denn die schwarzen Schafe?

Klingbeil: Wir wissen von Subunternehmen, deren osteuropäische Arbeitskräfte zum Teil in ihren Autos schlafen müssen. Da muss etwas passieren. Wir werden den Druck jetzt erhöhen, damit alle Paketzusteller unter besseren Bedingungen arbeiten.

Wirtschaftsminister Altmaier hat der Nachunternehmerhaftung schon eine Absage erteilt.

Klingbeil: Wenn dem Wirtschaftsminister US-Konzerne wie Amazon wichtiger sind als Arbeitnehmer in Deutschland, dann ist das sehr befremdlich. Dann hat er seine Aufgabe missverstanden.

Wie wollen Sie als SPD den Druck erhöhen?

Klingbeil: Arbeitsminister Hubertus Heil wird einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Nachunternehmerhaftung in der Paketrbranche regelt. Am Montag wird sich der SPD-Parteivorstand mit dem Thema beschäftigen, auch Verdi-Chef Frank Bsirske wird dabei sein.

Und welche Chance hat der, wenn Altmaier abblockt?

Klingbeil: Es gibt da längst eine Entwicklung in der Union – die niedersächsiche Landesregierung aus SPD und CDU hat zum Beispiel eine Antrag zur Haftungsfrage in den Bundesrat eingebracht. Ich kenne Herrn Altmaier gut genug um zu wissen, dass er eigentlich für gute Argumente offen ist. Er soll nicht Amazon glücklich machen, sondern für diejenigen sorgen, die Tag für Tag an den Haustüren klingeln müssen. Das ist der Job eines Wirtschaftsministers.

Es ist nicht das einzige aktuelle Streitthema mit der Union. Wie ist die Stimmung in der Groko?

Klingbeil: Tatsächlich besser als im letzten Jahr. Gerade mit dem Wechsel an der Parteispitze der CSU hat es eine deutliche Entspannung gegeben. Und es gibt auch nicht nur Streitthemen – gerade in dieser Woche haben wir mit der Wahlrechtsänderung für Menschen mit Behinderung und schnelleren Arztterminen für gesetzlich Versicherte gute gemeinsame  Gesetze auf den Weg gebracht.

Bei der Grundrente ist das allerdings nicht in Sicht.

Klingbeil: Da wird die Diskussion gerade heftig geführt. Aber es gibt auch Bewegung innerhalb der Union. Der NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann hat ja Unterstützung für den Vorschlag von Hubertus Heil signalisiert, bei den ostdeutschen CDU-Landesverbänden ist das ähnlich.

Es geht ja auch nicht generell um die Grundrente, sondern um die Frage der Bedürftigkeitsprüfung.

Klingbeil: Das Menschen vom Staat geprüft werden werden müssen, bevor sie die Grundrente beziehen können, halte ich schlicht für falsch. Die Lebensleistung muss zählen und nicht, mit wem ich vielleicht verheiratet bin. Das ist auch eine Frage der Gleichberechtigung: In NRW etwa gibt es nach Berechnungen der NGG mehr als 350 000 Menschen, die Anspruch auf eine Grundrente hätten, darunter allein 273 000 Frauen. Die Anerkennung der Lebensleistung steht übrigens im Koalitionsvertrag. Nach Ostern wird es einen Gesetzentwurf geben.

Der die Frage der Finanzierung berücksichtigt?

Klingbeil: Natürlich. Die Grundrente ist im Haushalt gedeckt.

Was sagen Sie denn: Hält die Koalition durch?

Klingbeil: Ich bin genervt davon, wenn wir bei jeder Sachfrage das Ende der Koalition heraufbeschwören. Ende des Jahres werden wir Bilanz ziehen, wie viel die Koalition bereits erreicht hat und was noch vor uns liegt.

Den Umfragewerten der SPD tut die Koalition aber nicht gut.

Klingbeil: Die SPD hat über Jahre Vertrauen verloren und muss jetzt zeigen, dass sie wieder dauerhaft einen Weg mit eigenen Schwerpunkten geht.

Diese Schwerpunkte nennt NRW-Parteichef Sebastian Hartmann „Rot pur“. Stimmen Sie dieser Richtung zu?

Klingbeil: Sebastian Hartmann ist ein guter Freund, schon deshalb würde ich nicht widersprechen. Die Konzepte aus NRW sind ja auch an wichtigen Stellen mit in die Neuaufstellung der SPD eingeflossen. Wichtig ist, dass wir jetzt zeigen: Wofür steht die SPD über die tägliche Regierungspolitik hinaus, wenn sie alleine regieren würde?

Kann Sie aber nicht. Wie geht es weiter mit möglichen Koalitionen? Ist die Linkspartei inzwischen eine Option?

Klingbeil: Dass unsere Kontakte zur Linkspartei besser werden, ist kein Geheimnis. Aber es ist nicht die Zeit, über Koalitionsfragen zu sprechen.

Und über mögliche neue Kanzlerinnen?

Klingbeil: Auch diese Frage stellt sich gerade nicht.

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