Klaus Töpfer im WZ-Interview: Angst ist ein schlechter Ratgeber

Herr Töpfer, Sie haben in einem Interview mit unserer Zeitung mal gesagt, Sie hätten Sorge um die Welt, in der Ihre Enkel einmal leben müssten, aber keine Angst. Gibt es nach Kopenhagen nicht Grund genug, Angst zu haben?

Töpfer: Angst ist der schlechteste Ratgeber. Sorge, und vor allem Verantwortung, ist viel besser. Ich glaube, dass diese turbulenten Tage von Kopenhagen dazu beigetragen haben, diese Verantwortung auch von politischen Entscheidungsträgern wieder dramatisch einzufordern. Wenn das Vertrauen in die politisch Handelnden nicht wieder wächst, wird es schwierig werden, die vor uns liegenden Herausforderungen zu bewältigen.

In Kopenhagen ist weniger herausgekommen als selbst Pessimisten befürchtet haben. Existiert überhaupt eine Grundlage für weitere Verhandlungen?

Töpfer: Diese Ergebnisse, vor allem die Nicht-Ergebnisse, sind sicher keine hinreichende Grundlage, um einfach weiterzumachen. Dass man glaubt, in einem halben Jahr in Bonn oder in einem Jahr in Mexiko mit denselben Ansätzen zu einem sinnvollen Ergebnis zu kommen, ist doch Wunschdenken. Es ist für alle, für jedes Land zwingend die Zeit gekommen, einmal innezuhalten und eine wirklich vorbehaltlose Bestandsaufnahme zu machen: Was will man, was kann man zur Vermeidung des Klimawandels beitragen, und was muss erreicht werden? Jede Nation, jede Regionalgruppe muss Handlungspläne vorlegen, muss mitteilen, was in welcher Zeit konkret getan wird, um Klimagase zu vermindern. Das ist in Kopenhagen noch nicht einmal im Ansatz passiert. Ziele wie die Zwei-Grad-Marke gehören dazu, aber sie bringen nichts, wenn nicht gesagt wird, wie sie erreicht werden. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Es muss jetzt klar gemacht werden, dass diejenigen, die mit weniger fossilen Energien ihre Energieversorgung sicherstellen, auch die Nase im globalen Wettbewerb vorn haben werden. Dass das eine Chance und nicht nur eine Belastung ist.

Wer ist aus Ihrer Sicht der Hauptverantwortliche für das Scheitern? Die USA, China, die EU?

Töpfer: Die Suche nach Schuldigen ist immer sehr verlockend, denn so lenkt man von sich selbst ab. Dieses Ergebnis kennt nur Unentschlossene, nur solche, die unzureichend Verantwortung übernommen haben, die nicht vorangegangen sind. Wenn die EU sagt, dass sie 30 Prozent weniger erreichen kann, dann soll sie doch auch vorangehen und das als Ziel formulieren und mit Handlungsplänen untermauern. Warum zieht sie sich auf 20 Prozent zurück? Wenn China sagt, dass es eine kohlenstoffärmere Wirtschaft will, dann lasst uns doch über Maßnahmen der Zusammenarbeit reden, um das zu erreichen. Wir müssen handeln. Das "Verhandeln" darf nicht als Alibi für "Handeln" missbraucht werden.

Sie waren selbst acht Jahre lang Chef des UN-Umweltprogramms. Können Sie erklären, wie es möglich ist, dass sich Staaten nicht auf Handlungen einigen können, von deren Notwendigkeit doch eigentlich alle überzeugt sind?

Töpfer: Das ist durchaus erklärbar. Die teilnehmenden 193 Staaten haben gänzlich unterschiedliche Interessen. Da ist der Unterschied zwischen China mit und dem Inselstaat Tuvalu. Da ist der Unterschied zwischen Indien, das eine Tonne CO2 pro Kopf und Jahr ausstößt und den USA, die auf 20 Tonnen kommen. Da sind die gewaltigen Wohlstandsunterschiede in dieser Welt: Mehr als 2 Milliarden Menschen leben von weniger als 2 Dollar am Tag! Dass die Inder sagen, die "reichen" Industriestaaten wie die USA müssten jetzt Verantwortung übernehmen, ist nachvollziehbar. Dass Tuvalu sagt, wir können doch nicht einem Zwei-Grad-Ziel zustimmen, weil schon das unseren Untergang bedeutet, ist auch nachvollziehbar. Aber dafür kommt man zu Verhandlungen zusammen, um wenigstens den gemeinsamen Nenner zu finden, mit dem die Probleme konkret in Angriff genommen werden können. Diesen Anforderungen wird das Ergebnis von Kopenhagen nicht gerecht.

Einige sagen nun, Kopenhagen habe gezeigt, dass solche Mammut-Konferenzen zum Klimaschutz nicht funktionieren können. Ist es eine Alternative zu sagen: Jeder tut so viel er will und dann müssen wir uns irgendwie an die Klimaveränderungen anpassen?

Töpfer: Nein, aber ganz sicher müssen auch die Vereinten Nationen eine sehr tief greifende Analyse dieses Verfahrens vornehmen. Wenn man Kopenhagen etwas Positives abgewinnen will, dann ist es die Klarheit, mit der die Grenzen dieses Verfahrens deutlich wurden. Jedem ist deutlich vor Augen geführt worden, dass alles auf den Prüfstand muss - bis hin zu der Frage, ob UN-Konferenzen dieser Art der beste Ansatz sind, um komplexe Menschheitsprobleme zu bewältigen. Das muss sehr selbstkritisch erörtert werden, auch und gerade im Interesse einer leistungsfähigen UN.

Was wäre denn die Alternative?

Töpfer: Es gibt eine ganze Bandbreite von Alternativen, besser Veränderungen. In Kopenhagen haben sich ja auch immer wieder Staaten in Gruppen zusammengefunden, um Lösungen zu finden. Das Gesamtergebnis, der Copenhagen-Accord, ist ebenso erarbeitet worden. Das könnte systematischer organisiert werden. Repräsentanten von Staatengruppen können bereits im Vorfeld der Konferenz miteinander verhandeln. Dies sind nur einige Hinweise auf Änderungen, es gibt viele andere. Dass aber die institutionelle Frage eine große Rolle spielt, hat Kopenhagen gezeigt.

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