Kaffeekränzchen statt Elefantenrunde

Merkel und Co. geben sich in der traditionellen TV-Diskussion zurückhaltend.

Berlin. Was waren das für Zeiten, als ein überheblicher und vor Selbstbewusstsein strotzender Kanzler Gerhard Schröder am Wahlabend 2005 in der "Berliner Runde" zum Rundumschlag gegen Opposition und Journalisten ausholte und die eigentliche Gewinnerin Angela Merkel düpierte. Das hatte Unterhaltungswert. Jetzt, vier Jahre später, ist die "Elefantenrunde" zum Kaffekränzchen mutiert.

Dabei hätten die Voraussetzungen für spannende 45 Fernseh-Minuten nicht besser sein können: Mit einem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier, der die größte Niederlage der Sozialdemokraten seit 1949 eingestehen muss.

Und einem glückseligen Guido Westerwelle, dessen FDP als große Wahlgewinnerin endlich mit der Union eine schwarz-gelbe Regierungskoalition zimmern darf.

Die Chefredakteure Thomas Baumann (ARD) und Nikolaus Brender (ZDF) geben sich denn auch alle Mühe, die Kontrahenten aus der Reserve zu locken und nach einem müden Wahlkampf wenigstens noch ein munteres Kräftemessen zwischen Angela Merkel (CDU), CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und Guido Westerwelle (FDP) auf der einen sowie Frank-Walter Steinmeier (SPD) und den Parteichefs Jürgen Trittin (Grüne) und Oskar Lafontaine (Linke) auf der anderen Seite anzuzetteln. Hilflos müssen die Moderatoren aber zusehen, wie sich die Parteigrößen minutenlang in gegenseitigen Glückwünschen erschöpfen.

Entwaffnend Steinmeiers Ehrlichkeit. "Man sitzt natürlich lieber bei den Siegern", gibt er zu und blickt geradezu sehnsüchtig zu Merkel hinüber, die entspannt in die Runde lächelt. Keine Antwort hat Steinmeier auf die Frage Brenders, worauf die erdrutschartigen Verluste der Sozialdemokraten zurückzuführen sind.

Nein, eine Abstrafung für die Agenda 2010 sei es nicht gewesen. Vom Mantra seines Parteichefs Franz Müntefering ("Opposition ist Mist") will der scheidende Außenminister ebenfalls nichts wissen. Stattdessen betont er gebetsmühlenartig, dass "Opposition wichtig" ist und die SPD "das soziale Gewissen in der Großen Koalition" gewesen sei.

Auch die Duzfreunde Merkel und Westerwelle lassen sich nicht aus der Reserve locken. "Positionen, die im Wahlkampf als unverhandelbar galten, gelten die jetzt auch noch?", fragt Brender, wohlwissend, dass sich die Liberalen in den Koalitionsverhandlungen teuer verkaufen werden.

"Wir werden intern verhandeln, sicherlich nicht öffentlich", betont Westerwelle, dessen Partei etwa den Gesundheitsfonds der Union geißelt. Und die Kanzlerin fügt hinzu: "Es ist falsch, alle schlimmen Dinge dieser Welt in diese Koalition zu packen."

Jetzt lebt Steinmeier noch einmal kurz auf und erinnert Merkel daran, dass "wir die Konjunkturprogramme gemeinsam verabschiedet haben. Und zwar gegen den Widerstand der FDP". Bei so viel gespielter Harmonie bleibt Ramsauer, Trittin und Lafontaine nur die ungeliebte Statistenrolle - auch wenn sie von den "guten Ergebnissen" ihrer Parteien schwärmen.

Das letzte Wort hat dann ZDF-Chef Brender: "Frau Merkel, sie wurden von allen gut behandelt." Ein kleiner Seitenhieb auf die Kanzlerin, die es abgelehnt hatte, an einer "Vor-Wahl-Elefantenrunde" teilzunehmen.

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