Der Anschlag von Berlin Jäger: Anis Amri wurde nicht "als kleiner Fisch" abgetan

Auch bei der zweiten Sondersitzung des Innenausschusses zum Berlin-Attentäter prallt der Druck am Minister ab.

 Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärt sich einmal mehr im NRW-Innenausschuss.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärt sich einmal mehr im NRW-Innenausschuss.

Foto: dpa

Düsseldorf. Wer erwartet hatte, bei der zweiten Sondersitzung des NRW-Innenausschusses zum Fall Anis Amri am Donnerstag im Landtag einen endgültig in die Ecke gedrängten, unter dem anhaltenden Druck ächzenden Innenminister Ralf Jäger zu sehen, der wurde enttäuscht. Noch nach vierstündigem Fragenhagel der Opposition lehnte der SPD-Mann locker in seinem Stuhl, lächelte, konterte und startete auch manchen Gegenangriff.

FDP-Fraktionsvize Joachim Stamp warf Jägers Behörde vor, der spätere Berlin-Attentäter sei dort „als kleiner Fisch“ eingestuft worden: „Ich habe den Eindruck, dass man Amri bewusst an der langen Leine hat laufen lassen, um an andere heranzukommen — und das ist entglitten.“ Man habe sich offenbar Hinweise auf gewichtigere Größen der islamistischen Szene erhofft. Aus diesem Grund sei auch die Abschiebung wohl nicht mit größerer Intensität verfolgt worden. Das bestritt Jäger und nannte Stamps Verhalten unverantwortlich, „weil es verunsichert — nicht mich, aber die Menschen da draußen“. Es handele sich um eine „krude Theorie“ des FDP-Mannes, die nicht zutreffend sei.

Im Detail wollte Stamp wissen, warum die Landesregierung die Beschaffung der Passersatzpapiere oder auch eine Abschiebehaft für Amri nicht aufgrund seines Status’ als eingestufter Gefährder forciert habe. „Aufenthaltsrecht ist kein Substitut für Strafrecht“, wiederholte der Innenminister daraufhin seine Argumentation aus vorhergehenden Ausschusssitzungen. Weder für die Papiere aus Tunesien noch für eine Verhaftung sei die Gefährdereinstufung von Bedeutung — wobei Letzteres ja nun wohl auf Bundesebene geändert werden solle. In ganz Deutschland sitze kein einziger Gefährder in Abschiebehaft — mit Ausnahme von NRW. Sehr wohl aber seien Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes sogar nach Tunis gefahren, um vor Ort persönlich auf die erforderlichen Papiere zu drängen — mit dem Ergebnis, dass Tunesien die Identität Amris am 20. Oktober 2016 immer noch bestritten habe. Deshalb sei auch die Abschiebehaft, welche maximal drei Monate dauern dürfe, nicht infrage gekommen.

Auf die Nachfrage von Monika Düker (Grüne), wie die Erfahrungen bei der Beschaffung von Passersatzpapieren für Tunesier aussähen, lautete Jägers Antwort: Im bislang allerschnellsten Fall hätten diese immer noch erst nach fünf Monaten vorgelegen. Mehrfach betonten Jäger und seine Mitarbeiter zudem, dass auch am 21. Dezember (zwei Tage nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt) nicht wie behauptet die Passersatzpapiere für Amri aus Tunesien eingegangen seien, sondern lediglich eine Bestätigung, dass man seine Staatsbürgerschaft nunmehr anerkenne.

Für die Opposition blieb am Ende der Sitzung der Eindruck, dass sich Jäger und seine Behörde um konkrete Antworten herumlavieren und aus der Verantwortung stehlen. Der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet erklärte nach der Sitzung, nur ein Untersuchungsausschuss könne nun dabei helfen, über die Rolle NRWs aufzuklären. Man wolle einen Einsetzungsbeschluss für die nächste Plenarsitzung formulieren. Rot-Grün wirft seinerseits CDU, FDP und Piraten Wahlkampftaktik vor. Über einen Rücktritt Jägers indes spricht niemand mehr.

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