Interview: „Kein Klimaschutz ohne Kernkraft“

Gerd Jäger, bei RWE Power verantwortlich für Kernkraft und regenerative Energien, sagt: Atomenergie ist klimaschonender als die Windkraft.

Herr Jäger, haben sich die Kollegen von Vattenfall nach den Vorfällen in den Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel eigentlich bei Ihnen entschuldigt?

Jäger: Nein, dazu gibt es auch keinen Grund. Die Vorfälle haben gezeigt, dass wir auf der Sicherheitsebene auch bei älteren Kernkraftwerken kein Problem haben. Es gab zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung für die Bevölkerung, das haben alle Untersuchungen bestätigt. Es hat allerdings in der Kommunikation Probleme gegeben. Das hat dazu geführt, dass das Thema sehr emotional diskutiert und leider auch politisch instrumentalisiert worden ist.

Beobachter sagen, dass Anträge auf Laufzeitverlängerungen - wie RWE sie ja auch für den Meiler Biblis A gestellt hat - nun chancenlos sind. Auch wegen der gewachsenen Sorge in der Bevölkerung.

Jäger: Das glaube ich nicht. Aber es ist sicher so, dass die Akzeptanz der Kernkraft in der Öffentlichkeit zurückgegangen ist. Umso wichtiger ist es, wieder zu einer sachlichen Diskussion zurückzufinden. Die Fakten sind ja klar: Die Kernenergie in Deutschland ist sicher. Kernenergie leistet einen großen Beitrag zum Klimaschutz, indem sie rund 150 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einspart. Kernenergie macht uns unabhängiger von Rohstoff-Importen. Und Kernenergie deckt die Hälfte des Grundlaststroms in Deutschland.

Sie haben gerade den Klimaschutz genannt. Ist das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 40 Prozent der CO2-Emissionen einzusparen, in Kombination mit dem Atomausstieg realisierbar?

Jäger: Aus unserer Sicht sind diese Ziele ohne Kernenergie nicht zu erreichen. Eine Absenkung der Treibhausgasemissionen von mehr als 30 Prozent bis 2020 zu vertretbaren Kosten geht nur mit einer Verlängerung der Laufzeiten - das hat auch eine Studie des BDI gerade wieder belegt.

Das Bundesumweltministerium kommt aber zu einem ganz anderen Ergebnis. Sind dessen Berechnungen unseriös?

Jäger: Bisher hat niemand die Frage beantwortet, wie man 40 Prozent CO2 einsparen und gleichzeitig aus der Kernenergie aussteigen kann - zumindest nicht zu vernünftigen Bedingungen.

Was heißt vernünftig?

Jäger: Zu akzeptablen Kosten und ohne Strukturbrüche in der Stromversorgung. Es gibt im übrigen keinen rationalen Grund, aus der Kernenergie auszusteigen. Sie leistet praktisch zum Nulltarif einen großen Beitrag zum Klimaschutz, den wir uns über andere Maßnahmen teuer erkaufen müssten - mit entsprechenden Wirkungen auf die Energiepreise.

Aber auch Kernenergie erzeugt CO2. Zwar nicht bei der Energieproduktion, aber beim Uranabbau. Zudem heißt es, dass die Uranvorkommen bald erschöpft sein werden.

Jäger: Wenn man die gesamte Wertschöpfungskette vom Uranabbau bis zur Endlagerung betrachtet, erreichen wir einen CO2-Ausstoß, der sogar geringer ist als der von Windkraftanlagen. Die Uranvorkommen sind keinesfalls bald erschöpft, sondern reichen noch für mehr als 200Jahre. In den 90er Jahren gab es große Mengen Uran auf dem Weltmarkt, unter anderem wegen der Rückführung von Uranvorräten aus dem militärischen Bereich. Dadurch ist der Abbau weltweit zurückgefahren worden. Mit dem Preisanstieg ist der Uranabbau wieder verstärkt aufgenommen worden, so dass es keine Engpässe gibt.

Sie haben gerade die Endlagerung angesprochen. Halten Sie es wirklich für verantwortbar, den kommenden Generationen Atommüll zu hinterlassen, der noch viele tausend Jahre strahlen wird?

Jäger: Es ist verantwortbar, da es dafür ein klares technisches Konzept gibt. In Deutschland sind zwei auch langfristig sichere Endlager vorhanden: Eines für mittel- und schwachradioaktive Abfälle im Schacht Konrad ab 2013. Die Sicherheit für Konrad ist gerade noch einmal vom Gericht bestätigt worden. Und es gibt ein Endlagerprojekt für hochradioaktiven Abfall in Gorleben. Andere Länder beneiden uns um die hervorragenden geologischen Voraussetzungen in diesem Salzstock. Alle Untersuchungen sind bisher zu einem positiven Ergebnis gekommen. Technisch sind alle Voraussetzungen erfüllt - nun müsste die Politik endlich den Weg frei machen.

Die Befürchtungen der Menschen in der Umgebung solcher Endlager können Sie nicht verstehen?

Jäger: Natürlich muss man die Sorgen ernst nehmen, und das tun wir. Interessant ist, dass die Menschen, die dort wohnen, zumeist eine ganz andere Einstellung zum Endlager haben, als das in einigen Medien dargestellt wird. Die Akzeptanz vor Ort ist vorhanden. Die Gegner reisen zumeist aus anderen Regionen an.

Aber die Bürgerinitiativen, die diesen Protest organisieren, sind doch vor Ort. Und die können sich wirklich nicht über Mitgliedermangel beschweren.

Jäger: Wenn Sie sich in Gorleben die Proteste gegen die Transporte anschauen, werden Sie feststellen, dass die kaum von lokalen Initiativen betrieben werden.

Während das Atomkraft-Zeitalter in Deutschland auszulaufen scheint, beobachtet man in anderen Teilen der Welt eine Renaissance der Kernkraft. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Jäger: Sie zeigt, dass Deutschland sich mit seiner Energiepolitik zunehmend isoliert und die Kernkraft in anderen Ländern sachlicher beurteilt wird. In den USA zum Beispiel sollen in den kommenden zwei Jahren bis zu 30neue Kernkraftwerke beantragt werden. International gesehen hat die Kernkraft also eine gute Zukunft. Ich hoffe, dass das nicht ohne Wirkung auf Deutschland bleibt.

Atomkraft soll das Klima retten?

Position Der 56-Jährige ist im Vorstand von RWE Power seit vier Jahren zuständig für Kernkraft und erneuerbare Energien.

Karriere Jäger studierte in den 70er Jahren Maschinenbau und begann 1977 bei RWE in der Abteilung Kraftwerksbetrieb. Nach Station im Braunkohlekraftwerk Frimmersdorf leitete er ab 1989 die Zentralgruppe "Konventionelle Kraftwerksanlagen" bei RWE, 1999 rückte er in den Vorstand der RWE Energie AG auf.

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