Wulffs Weihnachtsansprache und die Frage aller Fragen

Offenbar geht der Bundespräsident nicht auf die Vorwürfe gegen ihn ein. Der Druck nimmt zu.

Berlin. Bundespräsident Christian Wulff bleibt wegen seines umstrittenen Privatkredits und enger Kontakte zu Unternehmern in der Defensive. Nun lässt er durch seinen Anwalt bestätigen, dass der Unternehmer Egon Geerkens — entgegen bisheriger Darstellung — doch an den Verhandlungen über einen Kredit beteiligt gewesen sein soll. Bislang hatte sich Wulff darauf berufen, es sei Egon Geerkens’ Ehefrau Edith gewesen, die ihm den Kredit in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident gewährt habe.

Es wird eng für den Bundespräsidenten. Bis zum ersten Weihnachtstag, wenn sich das Staatsoberhaupt in der traditionellen Weihnachtsansprache an die Menschen im Land wendet, sind es von diesem Mittwoch an noch vier Tage. Doch Wulff lässt wohl die Gelegenheit ungenutzt, sich in der Rede für den versuchten persönlichen Vorteil zu entschuldigen. Die Rede wurde am Mittwoch aufgezeichnet. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, dass Wulff sich nicht zu den Vorwürfen geäußert habe.

Nach einer Umfrage hat der Bundespräsident mittlerweile bei fast jedem dritten Bundesbürger Vertrauen eingebüßt. Bei der Staatsanwaltschaft Hannover liegen neun Anzeigen von Bürgen gegen Wulff vor. Ein förmliches Ermittlungsverfahren gebe es nicht, so ein Behördensprecher.

Niedersachsens Vize-CDU-Chef, Hermann Kues, erwartet, dass Wulff Weihnachten „eine kluge Rede halten und die Dinge offen ansprechen“ werde. Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy meint hingegen, Wulff agiere, wie der gestürzte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach der „Salamitaktik“. Scheibchenweise werde nur so viel zugegeben, wie er gerade zugeben muss.

Doch die SPD kann nicht davon ablenken, dass Finanzoptimierer Carsten Maschmeyer auch schon einen der ihren unterstützt hat. Im Landtagswahlkampf 1998, als es um die Frage ging, wer die SPD im Bundestagswahlkampf als Spitzenkandidat führen würde, ließ Maschmeyer Anzeigen mit dem Wortlaut schalten: „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein.“ Gemeint war Gerhard Schröder, damals Ministerpräsident des Landes und bald auch Kanzler. So fällt auf, dass die Landes-SPD nicht so laut gegen Wulff trommelt wie erwartet.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner legte Wulff dagegen indirekt den Rücktritt nahe. Im WDR-Fernsehen sagte Meisner, wenn er selbst in einer vergleichbaren Lage wäre, „dann müsste ich meinen Hirtenstab abgeben, dann müsste ich resignieren“. An Wulffs Stelle würde er nun erklären: „Ich bin ein armer Sünder, habe versagt.“ Meisner fügte jedoch hinzu, er könne nicht beurteilen, ob die Vorwürfe stimmen.

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