Wulff sucht Rückkehr zum Amtsalltag

Berlin (dpa) - Der Bundespräsident kehrt beim Sternsinger-Empfang in die Amtsroutine zurück - und bekommt Unterstützung der zunächst schweigsamen Kanzlerin. Ausgestanden scheint die Affäre aber noch nicht.

In Niedersachsen legten die Grünen einen Katalog mit 100 Fragen vor.

„Die Bundeskanzlerin hat große Wertschätzung für Christian Wulff als Menschen und für Christian Wulff als Bundespräsidenten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag. Die Erklärungen des Staatsoberhaupts im Fernsehinterview vom Mittwoch seien ein wichtiger Schritt gewesen, das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. Wulff und seine Frau Bettina begrüßten im Schloss Bellevue rund 50 Sternsinger zum traditionellen Empfang.

Seibert betonte: „Das Amt des Bundespräsidenten ist eines, das man mit großer Achtung behandeln muss - und zwar von außen wie von innen.“ In der Mischung aus Transparenz und seiner täglichen Arbeit könne Wulff Vertrauen zurückgewinnen. Der Regierungssprecher fügte hinzu: „Es wird so sein - und da hat die Bundeskanzlerin volles Vertrauen - , dass der Bundespräsident auch alle weiteren relevanten Fragen mit der gleichen Offenheit beantworten wird, sollten noch welche auftauchen.“ Es gebe aber keinen Moment, in dem festgestellt werden könne, nun sei ein Thema vorbei.

Wulff äußerte sich beim Empfang der Sternsinger aus dem Bistum Essen nur indirekt zu der Affäre. „Die letzten Wochen waren so, dass man sich das nicht noch einmal zumuten muss, dass ich mich freue, dass das Jahr 2012 losgeht und ich mich meinen eigentlichen Aufgaben zuwenden kann.“ Es war der erste offizielle öffentliche Termin des Staatsoberhaupts im neuen Jahr, und er wurde von einem ungewöhnlich großen Medieninteresse begleitet.

Mit seinem Fernsehauftritt bei ARD und ZDF hat der Präsident laut einer Umfrage viele Bürger nicht überzeugt - eine Mehrheit will ihm aber eine zweite Chance geben. In einem „ARD-Deutschlandtrend extra“ fanden 61 Prozent derjenigen, die das Interview gesehen hatten, Wulff eher nicht überzeugend - 30 Prozent sahen ihn positiver. Aber 60 Prozent meinten, Wulff habe „jetzt eine zweite Chance verdient“, 36 Prozent sahen dies anders. 56 Prozent sprachen sich dafür aus, dass Wulff im Amt bleibt - neun Punkte mehr als vor dem Interview.

Die Kontroverse zwischen Wulff und der „Bild“-Zeitung will Merkel nicht kommentieren. Die Entscheidung, ob ein Anruf Wulffs auf der Mobilbox von „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann veröffentlicht werden solle, liege „ausschließlich zwischen der „Bild“-Zeitung und dem Bundespräsidenten“, sagte der Regierungssprecher. Die Mitteilung Wulffs, dies nicht zu tun, sei zu respektieren. Die Kanzlerin kenne keine Abschrift des Wulff-Anrufs.

Die „Bild“-Zeitung übermittelte Wulff eine Abschrift des Wortlauts. Dies sei geschehen, damit sich Wulff „bei Aussagen darüber nicht nur auf seine Erinnerung stützen muss“, teilte der Springer-Verlag am Freitag mit. Mit dem Telefonat hatte der Bundespräsident Einfluss auf eine geplante Berichterstattung der Zeitung über seinen privaten Hauskredit nehmen wollen.

Die BW-Bank widersprach nach Angaben der Tageszeitung „Die Welt“ der Aussage Wulffs, ein Vertrag für ein langfristiges Darlehen zur Finanzierung seines Hauses sei schon Ende November zustande gekommen. Damals habe man sich mündlich geeinigt, das reiche aber nicht aus, zitierte die Zeitung (Freitag) aus einer Antwort der Bank auf ihre Anfrage. „Ein Kreditvertrag mit Verbrauchern bedarf der Schriftform.“ Diesen habe die Bank Wulff am 12. Dezember geschickt, unterschrieben habe er am 21. Dezember. Wulff hatte erklärt, der Vertrag sei im November unter Dach und Fach gebracht worden: „Denn wenn Sie am 25. November sich geeinigt haben und die Bank das eingebucht hat, sich dafür abgesichert hat, dann ist der Vertrag geschlossen.“

Das Magazin „Focus“ berichtet, dass Wulffs Frau Bettina mehrfach Designerkleidung zur Verfügung gestellt bekommen habe. Die Kleidung sei gekauft oder gegen Gebühr geliehen worden. „Einige Kleider wurden kostenlos bereitgestellt“, zitiert „Focus“ Wulffs Anwalt Gernot Lehr. Bei der Erstellung der Steuererklärung sei dies jedoch berücksichtigt worden.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) dringt in der Kreditaffäre um seinen Amtsvorgänger auf sorgfältige Aufklärung aller Vorwürfe, wie sein Sprecher sagte. Die Grünen im Landtag von Hannover legten einen Katalog mit 100 Fragen an die Landesregierung vor. Der Rechtsausschuss will sich am kommenden Mittwoch in nicht öffentlicher Sitzung mit Wulff und dessen Verhältnis zu befreundeten Unternehmern beschäftigen.

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