Protest : #wirsindmehr: 65.000 in Chemnitz bei Konzert gegen Rechts (Video)
Chemnitz (dpa) - Als die Trauer um einen Getöteten in Chemnitz von Hooligans und Rechtsextremisten ausgenutzt wird, als Bilder bedrohlicher Aufmärsche um die Welt gehen, greift Felix Brummer zum Telefon.
Der Frontmann der Chemnitzer Band Kraftklub ruft befreundete Musiker-Kollegen an.
Sie wollen ein Zeichen setzen. Unter dem Motto „#wirsindmehr“ rufen sie zu einem Gratis-Konzert gegen Rassismus und rechte Gewalt auf. Wie viele Menschen dazu nach Chemnitz kommen werden, ist ungewiss. 10.000, vielleicht 20.000? Doch noch bevor am Montagabend auf dem Platz vor der Johanniskirche die ersten Takte gespielt werden, ist klar: Sie sind wirklich mehr. Auf 65.000 schätzt die Stadt am Ende die Besucherzahl.
Anna (20) ist aus Görlitz gekommen, stammt aber eigentlich aus dem Umland von Chemnitz. „Ich will zeigen, dass es nicht okay ist, dass heutzutage Leute mit Hitlergruß und Naziparolen durch welche Stadt auch immer laufen“, sagt die Studentin. Sie sei eindeutig wegen der Botschaft des Konzertes gekommen, nicht nur wegen der Musik. „Das Bild von Sachsen ist jetzt natürlich negativ. Es gibt sicher viele, die denken, alle Sachsen sind Nazis. Darum ist es wichtig, dass so etwas auf die Beine gestellt wird. Ich hoffe, dass darüber genauso berichtet wird, wie über die Ereignisse der vergangenen Woche.“
Kraftklub-Sänger Brummer sagt: „Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass man ein Konzert macht und dann ist die Welt gerettet.“ Aber: „Manchmal ist es wichtig, zu zeigen, dass man nicht allein ist.“ Unterstützt werden Kraftklub auf der Bühne von dem aus Chemnitz stammenden Trettmann, von Marteria und Casper, K.I.Z, von der Punk-Band Feine Sahne Fischfilet und den Toten Hosen.
„Bevor ihr das Volk sein wollt, versucht doch erstmal, Mensch zu sein“, steht auf einem selbstgemalten Schild, mit dem Laura (22) im Publikum steht. Die Studentin ist mit ihrer Freundin Janina (30) aus Berlin nach Chemnitz gekommen. „Es ist wichtig, nicht nur zu Hause zu sitzen und Likes auf Instagram zu verteilen“, sagt Laura. Und Janina ergänzt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien kein reines Sachsen-Problem. „Ich komme ursprünglich aus Bayern. Jedes Bundesland hat ein Problem.“ Dass erst prominente Bands die 65.000 Menschen vor der Johanniskirche möglich gemacht haben, finden beide in Ordnung. Es sei gut, die Leute auf die Straße zu kriegen.