Wie viel Schutz braucht die Verfassung?

Die Debatte über die Reform könnte zu einer neuen Belastungsprobe für die Koalition werden.

Berlin. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hätte die Verfassungsschutzreform lieber in Ruhe in seinem eigenen Haus vorbereitet.

Doch seine Kabinettskollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machte dem CSU-Politiker am Wochenende einen Strich durch die Rechnung, indem sie eine Verkleinerung des Verfassungsschutzes forderte.

„Das ist eine sehr pauschale Forderung, die ich nicht so ganz nachvollziehen kann“, sagte Friedrich. Damit ist der Reformstreit auch innerhalb der Bundesregierung offen ausgebrochen.

Leutheusser-Schnarrenberger hat die Gretchenfrage zur Zukunft des Inlandsgeheimdienstes gestellt: Welche Aufgaben sollen die „Schlapphüte“, die nach den missratenen Neonazi-Ermittlungen in eine tiefe Krise gestürzt sind, noch erfüllen, und wie viel Personal brauchen sie dafür?

Während Friedrich meint, es könne nicht um Quantität gehen, hält die Linke den Verfassungsschutz für überflüssig. Und selbst die Grünen haben bereits an der Existenzberechtigung der Behörde gezweifelt. Wer Akten vernichte, lege die „Axt an die eigene Legitimationsbasis“, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth.

Nach dem Willen von Leutheusser-Schnarrenberger sollen die Strukturen durch die Zusammenlegung von Landesämtern gestrafft werden. Jedes der 16 Bundesländer hat seine eigene Verfassungsschutzbehörde, die unabhängig vom Bundesamt in Köln agiert.

Schon vor zehn Jahren beim NPD-Verbotsverfahren hatte die Zerfaserung verheerende Folgen. Ohne jegliche Koordination hatten mehrere Verfassungsschutzämter eigene V-Leute in der Partei installiert.

Den Karlsruher Richtern wurde es schließlich zu bunt. Weil sie es für möglich erachteten, dass das vorgelegte Beweismaterial teilweise auf Aussagen von V-Leuten beruhte, stellten sie das Verfahren ein — und blamierten damit Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung.

Geklärt werden muss auch, was mit den anderen Geheimdiensten passieren soll. Die Grünen etwa fordern eine Auflösung des Militärischen Abschirmdienstes. Die Kernaufgabe des Dienstes — die Überprüfung von Bundeswehrsoldaten auf verfassungsfeindliche Bestrebungen — könne auch vom Verfassungsschutz übernommen werden. Das Verteidigungsministerium lehnt das ab.

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