Vertriebene wollen endlich Entschädigungen sehen

Berlin (dpa) - Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach hat an die Bundesregierung appelliert, die seit Jahren diskutierte Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter rasch zu verwirklichen. „Lasst uns endlich bitte Taten sehen“, sagte Steinbach beim „Tag der Heimat“ des Bundes der Vertriebenen (BdV).

2003 hatte die Union im Bundestag einen Antrag gestellt, mit dem im Zweiten Weltkrieg im Ausland zur Arbeit gezwungene Deutsche mit einer Einmalzahlung vom Bund entschädigt werden sollten. Der Antrag scheiterte aber an der damaligen rot-grünen Mehrheit. Steinbach betonte, Union und FDP hätten im Bundestag heute die Mehrheit, um eine Entschädigung durchzusetzen. Diese sei längst überfällig.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lehnte das ab. Laut „Bild am Sonntag“ teilte er dies in einem Schreiben an Steinbach mit. Deutsche Zwangsarbeit im Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg gelte als Massenschicksal, das nicht entschädigt werden könne. Außerdem habe das Ministerium keine Mittel für Zahlungen in Höhe von einmalig 5000 Euro an jeden Betroffenen, schrieb er dem Bericht zufolge. Er rechnet mit bis zu 100 000 Berechtigten. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) unterstützte dagegen Steinbachs Forderung.

Mit Blick auf das Berliner Zentrum gegen Vertreibungen forderte Steinbach mehr Tempo beim Ausbau, damit die nach 1945 Vertriebenen noch sehen könnten, dass ihr Schicksal nicht vergessen werde und in Berlin einen würdigen Platz bekomme. Zur Stärkung des Aussöhnungsprozesses forderte sie, bei Staatsbesuchen in Osteuropa auch Vertreter der Vertriebenen und nicht nur Wirtschaftsdelegationen mitzunehmen, gerade „wenn es sich um historisch vermintes Gebiet handelt“.

Bei der Veranstaltung mit rund 1000 Vertriebenen wurde der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) mit der Ehrenplakette des BdV ausgezeichnet. Er habe sich in hohem Maße „für die Belange der Heimatvertriebenen“ eingesetzt. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sieht die Aufarbeitung der Geschichte der Vertriebenen als Schlüssel zur Verständigung, wie er in seiner Festrede unterstrich. Sie hätten sich um den Wiederaufbau höchst verdient gemacht und großen Anteil am Wirtschaftswunder gehabt. Zudem seien sie es gewesen, die nach dem Krieg dazu beigetragen hätten, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt in Europa zu durchbrechen.

Im Verhältnis zu Polen betonte Steinbach, dass man weiter einen Weg des Dialogs gehen müsse. „Das Verhältnis von Mensch zu Mensch zwischen unseren Völkern ist über die ganzen jeweiligen traumatischen Erinnerungen hinweg wesentlich weiter als es manche öffentliche Aufwallung vermuten lässt oder sogar suggeriert“, sagte Steinbach, die 1943 im polnischen Teil Westpreußens als Tochter eines deutschen Besatzungssoldaten geboren wurde. In Polen wird die BdV-Chefin vor allem wegen ihres Einsatzes für das Zentrum gegen Vertreibungen kritisiert. Polnische Politiker sehen darin einen Versuch, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren.

Die CDU-Politikerin forderte gegenüber den Russlanddeutschen mehr Toleranz. Sie seien 1941 in der Sowjetunion in eine Kollektivhaftung für Hitlers Verbrechen genommen worden. Hier in Deutschland seien sie viel zu oft noch „die Russen“, kritisierte Steinbach.

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