Urteil im Auschwitz-Prozess erwartet

Lüneburg (dpa) - Im Auschwitz-Prozess gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning soll am Mittwoch vor dem Landgericht Lüneburg das Urteil verkündet werden. Das teilte der Vorsitzende Richter Franz Kompisch mit.

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Dem 94-jährigen Gröning wird Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau während der sogenannten Ungarn-Aktion im Sommer 1944 vorgeworfen.

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Er hatte zu Prozessbeginn eine moralische Mitschuld übernommen und eingeräumt, das Geld der Verschleppten gezählt und nach Berlin weitergeleitet zu haben. An der berüchtigten Rampe in dem Todeslager will er nur zwei- bis dreimal vertretungsweise Dienst getan haben.

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Verteidiger Hans Holtermann forderte einen Freispruch. Gröning habe den Holocaust im strafrechtlichen Sinne nicht gefördert. Über den Dienst an der Rampe hinaus gebe es keinen Zusammenhang mit den Selektionen, bei denen entschieden wurde, ob die Verschleppten in den Arbeitseinsatz oder in den sofortigen Tod im Gas geführt wurden. Auch durch das Zählen der Gelder habe Gröning den Massenmord nicht gefördert.

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Der 94-Jährige berief sich in seinem Schlusswort auf das Plädoyer des Juristen Cornelius Nestler, der mit seinem Kollegen Thomas Walther mehr als 50 der über 70 Nebenkläger vertritt - Überlebende von Auschwitz und Angehörige von Opfern. „Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte, hat Professor Nestler hier gesagt. Das ist mir bewusst“, betonte Gröning. „Ich bereue aufrichtig, dass ich diese Erkenntnis nicht viel früher und konsequenter umgesetzt habe.“

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Verteidigerin Susanne Frangenberg beantragte, im Falle eines Schuldspruchs von einer Strafe abzusehen. Wie die Staatsanwaltschaft sah sie eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Die Juristin erinnerte daran, dass die Ermittlungen bereits 1977 aufgenommen wurden, 1978 sei ihr Mandant vom Tatvorwurf unterrichtet worden. Später sei das Verfahren eingestellt, eine Wiederaufnahme wiederholt abgelehnt worden.

Die Verteidigerin sah darin eine unangemessene Verfahrensverzögerung von mindestens 37 Jahren. Damals wäre Gröning nach herrschender Rechtsprechung wegen einer anderen Bewertung freigesprochen worden, sagte sie. Wie nur wenige frühere SS-Männer habe Gröning freiwillig ausgesagt, auch gegen frühere Kameraden.

Zuvor hielten fünf weitere Nebenkläger-Vertreter ihre Plädoyers. Sie forderten kein konkretes Strafmaß, hielten aber die von der Anklage geforderten dreieinhalb Jahre Haft für zu niedrig. Anwalt Markus Goldbach sagte, ein Schuldspruch habe rein symbolische Bedeutung. Gröning werde nicht einen Tag im Gefängnis verbringen müssen, das Verfahren sei wichtiger als das Urteil. Doch habe der 94-Jährige keine geringe Schuld auf sich geladen.

Die Anklage hatte vergangene Woche dreieinhalb Jahre Haft gefordert. Bis zu 22 Monate sollten als bereits verbüßt gelten, weil eine Verurteilung schon viel früher möglich gewesen sei.

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