Ungarisches Medien-Gesetz löst in EU Kritik aus

Brüssel/Berlin/Wien (dpa) - Mit der Einschränkung seiner Pressefreiheit hat Ungarn kurz vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft für einen Aufschrei gesorgt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte die rechtskonservative Regierung in Budapest am Mittwoch vor einer Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn rief die EU-Kommission auf, eindeutig Stellung gegen das neue Mediengesetz zu beziehen. Kritik hagelte es auch von der OSZE und dem EU-Parlament. Ungarn übernimmt im Januar den EU-Ratsvorsitz.

Der liberale Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff forderte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) auf, sich bei der EU für Sanktionen gegen Ungarn einzusetzen. Andernfalls „zieht autoritäre Fäulnis in die Europäische Union ein“, sagte Lambsdorff der Tageszeitung „Die Welt“. Auch Bundestagpräsident Norbert Lammert zeigte sich in einem Brief an seinen ungarischen Kollegen László Kövér besorgt.

Nach dem Gesetz kontrolliert eine neue Behörde die privaten Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale. Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen hohe Bußgelder. Seit dem Sommer überwacht die Behörde bereits die öffentlich-rechtlichen Medien.

Die Bundesregierung beobachte die Änderung der Mediengesetzgebung in Ungarn mit „großer Aufmerksamkeit“, sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans in Berlin. „Als künftige EU-Präsidentschaft trägt Ungarn natürlich eine besondere Verantwortung für das Bild der gesamten Europäischen Union in der Welt.“ Auch deshalb sei es selbstverständlich, dass Ungarn den Werten der EU verpflichtet bleibe.

Asselborn zog sogar einen Vergleich zum autoritär regierten Weißrussland. „Da war die Wahl ziemlich okay. Aber wie kann eine Wahl frei sein, wenn die Leute vorher nur aus der Regierungsperspektive informiert werden? Und das ist genau die Gefahr, die jetzt besteht“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Es geht um ein fundamentales Interesse der EU, nämlich die Verteidigung der Menschenrechte.“

Auch die Medienbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE, Dunja Mijatovic, hatte von einer Gesetzeslage „wie sonst nur unter autoritären Regimen“ gesprochen.

Ein EU-Kommissionssprecher erklärte, die Behörde prüfe, ob das ungarische Mediengesetz gegen EU-Recht verstoße. Eine „schwere und anhaltende Verletzung“ der im Lissabon-Vertrag festgeschriebenen Grundwerte sieht Sanktionen vor wie die Aussetzung von Rechten. Asselborn sagte, die EU stelle gerade die Pressefreiheit gegenüber Drittstaaten immer als den „ersten Pfeiler der Grundrechte“ heraus. Er lobte Bundeskanzlerin Merkel für ihre „klaren Worte“: „Sie weiß ja wie keine andere, was eine unfreie Presse bedeutet.“

Die OSZE-Medienbeauftragte Mijatovic erklärte in Wien, das neue Gesetz könne „kritische Medien und die öffentliche Debatte im Land zum Schweigen bringen“. Es verletze die von der OSZE gesetzten Standards zur Pressefreiheit und gefährde die Unabhängigkeit der Herausgeber und die Medienvielfalt.

Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Martin Schulz, warnte in der „Frankfurter Rundschau“, Ungarn werde „große Probleme bekommen“, wenn es die europäischen Standards nicht erfülle.

Ungarns sozialistische Oppositionspartei MSZP rief Staatspräsident Pal Schmitt dazu auf, die vom Parlament verabschiedete Vorlage nicht zu unterzeichnen, sondern an das Verfassungsgericht weiterzuleiten. Das Gesetz könnte dann nicht wie vorgesehen im Januar in Kraft treten.

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