Teure Pillen kommen auf den Prüfstand

Bringen neue Medikamente wirklich mehr — oder kosten sie nur mehr als altbewährte Mittel?

Berlin. Seit Monaten tobt hinter den Kulissen des Gesundheitswesens ein erbitterter Streit. Es geht um Milliardenumsätze, um die Wettbewerbsfähigkeit großer Konzerne — und um die Gesundheitschancen von Millionen Patienten. Nun hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken seinen mit Spannung erwarteten Beschluss gefasst.

Das höchste Gremium im deutschen Gesundheitswesen entschied, welche breit im Markt angewendeten Arzneimittel als erstes einer neuen Bewertung unterzogen werden und welche Kriterien dafür gelten. Es ist der Startschuss für mögliche Einsparungen im Milliardenbereich — und für neue Kämpfe mit der Pharmabranche.

Betroffen sind patentgeschützte Mittel gegen Volkskrankheiten wie chronische Schmerzen, Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden, Depression, Arthritis, Osteoporose. Geprüft werden Wirkstoffe wie Duloxetin (unter anderem im Mittel Cymbalta), Tapentadol (Palexia), Denosumab (Prolia).

Frühestens in einem guten Jahr dürfte es Ergebnisse zur Frage geben, wie gut diese noch relativ jungen und deshalb teuren Medikamente im Vergleich zu Altbewährtem sind, deren Patentschutz längst abgelaufen ist.

Bei den Pharmaherstellern, die bisher frei in ihrer Preisgestaltung waren, beugen sich Heerscharen von Fachleuten, aber auch Juristen über die Vorgaben, Berichte und Dossiers. Denn die Bewertung, die der Gemeinsame Bundesausschuss zu den Mitteln vornimmt, ist Basis für Preisverhandlungen zwischen Herstellern und dem Kassenverband.

Der unabhängige Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske beurteilt den Beschluss kritisch: „Es bleiben viele Medikamente im Markt, bei denen man sparen könnte.“ Bei Asthma-Sprays, Cholesterin-Senkern, Psychopharmaka, die die Liste der höchsten Kostenverursacher anführen, seien Zweifel angebracht, ob sie im heutigen Maß verordnet werden müssten. „Die sollte man relativ schnell bewerten.“

Glaeske pocht auf mehr Bewertungen auch deshalb, weil dies Patienten schütze. Denn bei recht neuen Mitteln werde immer wieder deutlich, welche Nebenwirkungen sie hätten, wenn sie erst einmal von Zehntausenden genommen würden. Bei bekannten Präparaten seien die Risiken oft besser einzuschätzen — und geringer, so der Pharmakritiker.

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