Scharfe Kritik Teilnahme an Corona-Protest: Thüringer FDP-Chef Kemmerich zum Parteiaustritt aufgefordert

Erfurt · Wegen der Teilnahme an einem sogenannten Spaziergang gegen übermäßige Corona-Auflagen in Gera ist der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich in die Kritik geraten.

 Thomas Kemmerich (FDP), früherer Ministerpräsident von Thüringen

Thomas Kemmerich (FDP), früherer Ministerpräsident von Thüringen

Foto: dpa/Martin Schutt

Kemmerich twitterte am Samstag über seine Teilnahme, es sei um "Verhältnismäßigkeit und einen Corona-Exit mit Maß und Mitte" gegangen. Ministerpräsident Bodo Ramelow schrieb hingegen zu einem Foto, das Kemmerich in dem Protestzug zeigte: "Abstand halten oder Mundnasenschutzbedeckung? - Fehlanzeige! Vorbildfunktion? - Fehlanzeige!" Auch aus der eigenen Partei kam heftige Kritik.

Die Demonstration war von einem Mitglied des örtlichen CDU-Wirtschaftsrats organisiert worden. Hunderte Menschen nahmen daran teil, der Unternehmer und Kemmerich hielten Ansprachen. Laut dem Mitteldeutschen Rundfunk nahmen an der Kundgebung auch AfD-Vertreter teil.

Kemmerich fügte seinem Tweet zwar ein "NoAfD" hinzu, Ramelow nannte das Verhalten aber "zum Schämen". "Ich habe keine Lust mehr, mich für Kemmerich zu rechtfertigen - er ist entweder völlig lernresistent oder hat ein Problem mit der Abgrenzung von Rechten - beides geht in seiner Position nicht", schrieb er.

Aus der FDP kam Kritik bis hin zur Austrittsforderung. Parteichef Christian Lindner schrieb bei Twitter: "Wer sich für Bürgerrechte und eine intelligente Öffnungsstrategie einsetzt, der demonstriert nicht mit obskuren Kreisen und der verzichtet nicht auf Abstand und Schutz." Er habe dafür "kein Verständnis".

Ähnlich äußerte sich FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg. Sie sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland laut Vorabmitteilung vom Sonntag: "Abstand zu halten von destruktiven Gegnern der liberalen Demokratie war schon vor Corona richtig und bleibt es für meine FDP."

Die Teilnahme an dem Protest sei Kemmerichs persönliche Entscheidung gewesen, sagte Teuteberg. Als solche sei sie auch "von ihm persönlich zu erklären". "Die Bundes-FDP ruft jedenfalls nicht zur Teilnahme an solchen Demonstrationen auf", stellte die Generalsekretärin klar.

Die Chefin der Jungen Liberalen, Ria Schröder, schrieb bei Twitter: "Corona verlangt uns allen viel ab, aber wer bewusst Hygienemaßnahmen missachtet und sich mit Rechtsextremen einreiht, der ist nicht Mitte, sondern gefährdet uns alle und untergräbt die konstruktive Arbeit" der FDP.

Die kommunalpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, twitterte: "Liberal sein heißt nicht, aus Prinzip gegen etwas zu sein, gerade, wenn es Menschen schützt." In Thüringen und Sachsen hatte es am Samstag wieder vielerorts als Spaziergänge deklarierte Corona-Proteste gegeben.

Dem "Tagesspiegel" aus Berlin vom Montag sagte Strack-Zimmermann laut Vorabmeldung, Kemmerich suche "offenbar nicht nur physisch die Nähe zur AfD und Verschwörungstheoretikern, sondern teilt offensichtlich auch deren Demokratie zersetzenden Kurs". "Er täte gut daran, die FDP zu verlassen", fügte sie hinzu.

Kemmerich war Anfang Februar im Thüringer Landtag mit Stimmen auch von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden, was eine Welle der Empörung auslöste. Er trat kurz darauf wieder zurück. Anfang März wurde dann Ramelow erneut zum Regierungschef gewählt. Er führt seither eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung.

(AFP)
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