Überschuldung Studie: Arbeitslosigkeit und Krankheit häufigste Ursachen für Zahlungsprobleme

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Symbolfoto.

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Foto: Heiko Wolfraum

Berlin. Rund 6,7 Millionen Bundesbürger gelten als überschuldet. Auslöser der Zahlungsprobleme sind in den meisten Fällen Schicksalsschläge wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Das Statistische Bundesamt hat die Betroffenen näher unter die Lupe genommen. Nachfolgend die wichtigsten Ergebnisse der am Freitag veröffentlichten Untersuchung im Überblick:

Wann ist man überschuldet? Schulden sind für viele Menschen der Normalfall. Wer zum Beispiel einen Immobilienkredit abzuzahlen hat, gilt als Schuldner. Überschuldet ist man erst dann, wenn die Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Gläubigern nicht mehr termingemäß erfüllt werden können. Diese Definition hat das Statistische Bundesamt bei seiner Untersuchung allerdings nicht zugrunde gelegt. Vielmehr basieren die Erkenntnisse auf einer Auswertung freiwilliger Angaben von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen. Demnach haben dort im vergangenen Jahr 647.000 Bürger professionelle Hilfe gesucht.

Wie hoch sind die Schulden? Auf jeden Betroffenen kommen im Durchschnitt 34.400 Euro Schulden. Dem steht ein durchschnittliches Einkommen von 1034 Euro gegenüber. Würde das gesamte Einkommen für den Schuldendienst aufgewendet werden, bräuchte ein Betroffener also fast drei Jahre, um komplett schuldenfrei zu sein. Mehr als jeder dritte Überschuldete steht allerdings mit weniger als 10.000 Euro im Minus. Sechs Prozent haben dagegen Schulden von mehr als 100.000 Euro.

Wer ist am meisten betroffen? Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind das alleinerziehende Frauen. 14 Prozent aller Beratungsgespräche gehen auf diese Gruppe zurück. Ihr Anteil an der Bevölkerung liegt aber nur bei sechs Prozent. Auch allein lebende Männer sind überproportional häufig überschuldet. Sie machen fast jeden dritten Beratungsfall aus. Dabei ist nur etwa jeder fünfte Bundesbürger ein männlicher Single. Vergleichsweise selten betroffen sind indes Paare ohne Kinder. Sie stellen nur 13 Prozent der Fälle. Ihr Anteil an der Bevölkerung ist aber mehr als doppelt so hoch. Gemessen am Lebensalter sind die 25- bis 44jährigen am häufigsten überschuldet.

Worin liegen die Ursachen? Wer überschuldet ist, ist selber schuld, heißt es häufig. Dem widersprach jedoch der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Dieter Sarreihter: "Es fällt auf, dass in der Regel unplanbare und gravierende Änderungen der Lebensumstände als Hauptauslöser genannt werden, die außerhalb der unmittelbaren Kontrolle der Überschuldeten liegen". Den Daten zufolge geht nur etwa jede zehnte Überschuldung auf ein überzogenes Konsumverhalten zurück. Jeder fünfte Betroffene ist durch plötzliche Arbeitslosigkeit in diese Lage gekommen. In 15 Prozent der Fälle sind Erkrankungen, Sucht oder Unfälle die Ursachen. 14 Prozent resultieren aus Ehescheidungen oder dem Tod eines Partners.

Gibt es regionale Unterschiede? Ja, und zwar vor allem zwischen Stadt und Land. Großstädter sind mit durchschnittlich 34.800 Euro überschuldet, Betroffene in ländlichen Regionen dagegen nur mit 24.900 Euro. Letztere stehen meist bei Versandhändlern und Energieunternehmen in der Kreide. In den Metropolen dominieren Überziehungen von Dispokrediten.

Wie aussagekräftig ist die Untersuchung? Die Zahl der Beratungsgespräche lässt keine Schlüsse auf das Ausmaß der Überschuldung zu. Denn längst nicht alle Betroffenen suchen Hilfe bei den Schuldnerberatungsstellen. Manche wenden sich auch an Rechtanwälte oder Steuerfachleute. Doch dafür gibt es keine Statistik. Erfasst wird allerdings die Entwicklung der Privatinsolvenzen, bei denen Betroffene ihr pfändbares Einkommen über einen Zeitraum von sechs Jahren an die Gläubiger abtreten, um danach als schuldenfrei zu gelten. 2011 gab es in Deutschland 106.000 solcher Insolvenzen. 2015 wurden 78.000 Verfahren registriert. Das könnte auf eine gewisse Entspannung des Problems hindeuten.

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