Grundrente Streit zwischen Union und SPD - Woran es bei der Grundrente hakt

Berlin · Union und SPD können sich noch immer nicht auf ein Modell einigen. Der Knackpunkt ist die Bedürftigkeitsprüfung. Fragen und Antworten zum aktuellen Stand.

 Ob die Grundrente jedem zustehen oder erst nach einer speziellen Prüfung ausgezahlt werden soll, ist der Streitpunkt zwischen Union und SPD.

Ob die Grundrente jedem zustehen oder erst nach einer speziellen Prüfung ausgezahlt werden soll, ist der Streitpunkt zwischen Union und SPD.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Eigentlich sollten die Menschen in Deutschland an diesem Dienstagmorgen mit der guten Nachricht über eine Einigung zur Grundrente in den Tag gehen. Doch die frohe Kunde ist scheinbar wieder in weite Ferne gerückt, nachdem sich Teile der Union in letzter Minute quer stellten und ein für den Vorabend geplantes Spitzentreffen der großen Koalition deshalb abgeblasen wurde. Nachfolgend Fragen und Antworten, wer was konkret will, und woran es noch hakt.

Was war  ursprünglich vereinbart?

Viele Menschen haben trotz jahrzehntelanger Arbeit nur eine Minirente im Alter. Grund sind niedrig entlohnte Jobs, die dann automatisch zu geringeren Rentenbezügen führen. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD deshalb auf die Einführung eine Grundrente geeinigt: Geringverdiener, die mindestens 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung beziehungsweise Pflegezeiten nachweisen können, sollen demnach eine Rente bekommen, die um zehn Prozent über der staatlichen Grundsicherung im Alter (Hartz IV) liegt. Das wären gut 900 Euro im Monat.

Wo liegt der größte Dissens?

Bei der Bedürftigkeitsprüfung. Auch die ist im Koalitionsvertrag vereinbart. Doch davon wollte die SPD schon frühzeitig nichts mehr wissen. Ihr Argument: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, solle nicht gezwungen werden, sich vor dem Sozialamt zu erklären. Die Union hält das für unbezahlbar und auch für ungerecht, denn, so ihr Argument, viele Betroffene hätten auch noch andere Einkünfte und eine Grundrente deshalb nicht nötig. In der Tat sind die Kosten und auch die Zahl der Anspruchsberechtigten einer Grundrente entscheidend davon abhängig, ob oder in welcher Form es eine Prüfung der privaten Finanzsituation gibt.

Gibt es eine Annäherung?

Danach sah es in den vergangenen Wochen aus. Von der Maxime, auf jegliche Bedürftigkeitsprüfung zu verzichten, hat sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) inzwischen verabschiedet. Nach seinen ursprünglichen Gesetzesplänen hätten von der Grundrente  rund drei Millionen Menschen profitiert. Kostenpunkt: etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr. Bei einer strengen Bedürftigkeitsprüfung würden dagegen nur rund 150 000 Menschen begünstigt, und die Kosten lägen mit 200 Millionen Euro im Jahr deutlich niedriger.

Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand?

Eine vom Koalitionsausschuss eingesetzte Arbeitsgruppe hat sich darauf verständigt,  die Höhe der Grundrente nur vom Einkommen der Rentner abhängig zu machen, nicht aber von ihrem Vermögen einschließlich eines möglichen Immobilienbesitzes. Zum Einkommen zählen neben der gesetzlichen Rente auch Miet- und Kapitaleinkünfte. Dabei  soll es Freibeträge geben, oberhalb derer die zusätzliche Grundrente abgeschmolzen wird.

Woran hakt es konkret?

Ein Teil der Union pocht weiter auf eine strikte Bedürftigkeitsprüfung und will der  SPD keinerlei Zugeständnisse machen. Strittig ist zugleich die Höhe des Freibetrags. Zuletzt reichte die Spannbreite von 800 bis 1200 Euro. Die SPD will ihn möglichst hoch ansetzen. Entsprechend mehr Rentner würden dann auch von einer Grundrente in vollem Umfang profitieren. Die Union wiederum hat aus Kostengründen eher das Gegenteil im Sinn. Ungeklärt ist auch noch die Art der Finanzierung. Heil will für die Grundrente auch Geld aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung locker machen. Das lehnt die Union strikt ab.

Wie geht es weiter?

Mit Spannung wird jetzt der kommende Sonntag erwartet. Dann soll das abgesagte Spitzentreffen von Montagabend nachgeholt werden. Am Ende könnte es auch noch zu einem anderen Lösungsmodell kommen. Die Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion brachte dazu jetzt die sogenannte Rente nach Mindestentgeltpunkten ins Spiel. Sie gilt derzeit für Rentenversicherungszeiten vor dem Jahr 1992. Wurde in den davor liegenden Arbeitsjahren wenig verdient, bekommen Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen ihre Rente ohne Bedürftigkeitsprüfung so weit aufgestockt, als hätten sie in dieser Zeit 75 Prozent des Durchschnittlohns verdient. Dieses Prinzip ließe sich auch für die Arbeitsjahre nach 1992 anwenden. Ob es überhaupt zu einer Einigung in der Groko kommt, war am Montag aber noch unklar.

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