Streit um Milliardenreserven der Krankenversicherung

Berlin (dpa) - Die Koalition steuert auf einen neuen Streit über die Milliardenreserven der gesetzlichen Krankenkassen zu. Die Unionsfraktion fordert ein Überprüfen des Steuerzuschusses.

Experten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) denken nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag) über eine einmalige Kürzung um zwei Milliarden Euro für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nach. Das Haus von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und die Krankenkassen wehren sich. Aus der FDP kam die Forderung, die Praxisgebühr wieder abzuschaffen.

Für eine Senkung des 15,5-Prozent-Beitragssatzes will die Bundesregierung die Milliardenreserve nicht verwenden. Das hatte Bahr klargemacht. Ein Sprecher seines Ressorts sagte nun: „Die Steuermittel in der GKV dienen der nachhaltigen Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben wie der Mutterschaftsleistungen oder der beitragsfreien Familienversicherung.“ Wer den Bundeszuschuss kürzen wolle, stelle diese Leistungen infrage. Der FDP-Gesundheitsexperte Heinz Lanfermann warnte vor „kurzsichtigen Maßnahmen“.

Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle dagegen betonte, es sei klar dass der Fonds auch für diese Leistungen eine verlässliche Grundlage brauche. Aber es könne nicht sein, dass er Reserven weit über bestehende Vorgaben hinaus anhäufe. „Der Bund muss für diese überproportionale Kasse des Fonds mehr Schulden machen und dafür auch noch Zinsen zahlen.“ Bis Mitte März sollen die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2013 und den Finanzplan bis 2016 vorliegen.

Der Bund hat 2011 den Fonds mit 13,3 Milliarden Euro bezuschusst, ab 2012 sind es jährlich 14 Milliarden. Die Fondsreserve beträgt mehr als 8 Milliarden. Der Sprecher des Kassen-Spitzenverbands, Florian Lanz, mahnte: „70 Millionen Menschen verlassen sich auf die solide Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Thomas Ballast, Vorstandschef des Ersatzkassen-Verbands vdek forderte: „Hände weg von den Steuerzuschüssen für die Krankenkassen.“

Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand forderte stattdessen, den Arbeitnehmer-Sonderbeitrag von 0,9 Prozent abzuschmelzen. Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) sollte das Geld für die Abschaffung der Praxisgebühr verwendet werden. Die Koalition will diese Gebühr überprüfen.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warnte: „Wer jetzt staatliche Zuschüsse streicht, wird morgen höhere Zusatzbeiträge bei den Versicherten ernten.“ Das erwartet auch Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland. „Denn die Reserven in der gesetzlichen Krankenversicherung werden dringend benötigt, sobald die Wirtschaft nicht mehr boomt“, sagte er der dpa. „Notwendig wäre es vielmehr, die Überschüsse entweder für Leistungsverbesserungen oder zum Abbau einseitiger Patienten-Belastungen wie der Praxisgebühr einzusetzen.“

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