Realos wollen Kurskorrektur : Streit bei den Grünen über Flüchtlingspolitik
Berlin/Stuttgart (dpa) - Zu Beginn des Wahljahres 2017 und unmittelbar vor wichtigen Treffen ihrer Führungsgremien zeigen sich die Grünen tief zerstritten in der Flüchtlingspolitik.
Während Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann erneut Unterstützung für die Einstufung Tunesiens, Marokkos und Algeriens als sichere Herkunftsländer signalisierte, wiesen Grünen-Parteichefin Simone Peter und der migrationspolitische Sprecher Volker Beck diese Forderung zurück. Am Montag kommt die Grünen-Führung zu einer Klausur zusammen, am Mittwoch die Bundestags-Fraktion.
Auch die Grünen in Nordrhein-Westfalen bleiben beim Nein. Eine Einstufung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten löse keine Probleme und vereinfache Abschiebungen Ausreisepflichtiger nicht, bekräftigte die Spitzenkandidatin der Grünen für die NRW-Landtagswahl, Sylvia Löhrmann, am Mittwoch in Düsseldorf.
Kretschmann sagte der „Rheinischen Post“: „Baden-Württemberg wird der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer um die besagten Maghreb-Staaten zustimmen, sofern die Bundesregierung das Ansinnen in den Bundesrat einbringt.“ Der einzige Grünen-Ministerpräsident fügte hinzu: „Die kriminelle Energie, die von Gruppierungen junger Männer aus diesen Staaten ausgeht, ist bedenklich und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden.“
Der Status als sichere Herkunftsländer würde dazu führen, dass bei Bürgern der drei nordafrikanischen Länder beschleunigte Asylverfahren möglich werden. Bislang ist dies im Bundesrat am Widerstand der Grünen gescheitert. Der mutmaßliche Attentäter von Berlin, Anis Amri, stammt aus Tunesien.
Peter lehnte es dagegen ab, Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer einzustufen. Der „Saarbrücker Zeitung“ sagte sie, es sei sinnvoller, die Rückführung mit bilateralen Abkommen und individuellen Hilfen zu regeln. In den drei Ländern würden „immer noch ganze Bevölkerungsgruppen diskriminiert“. Beck sagte: „Dieser Gesetzentwurf gehört in die Mottenkiste.“ Beschränkungen des Asylrechts taugten nicht zur Kriminalitätsbekämpfung.